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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Rouzé
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um richtig zu sich zu kommen. Er glaubte sich allein in seinem Bett wie sonst auch, wollte sich aufsetzen und stützte sich dabei mit dem Ellbogen schwer auf den Magen von Punkt Eins. Die Zwillinge schliefen in den Ferien manchmal zusammen, und wenn es frühmorgens aufzustehen galt, stieß derjenige, der zuerst wach wurde, den anderen an, um ihn aus dem Bett zu treiben. Diese Gewohnheit führte den so grausam aus seinen Träumen emporgeschreckten Punkt Eins auf die falsche Fährte.
    „Laß mich doch schlafen, Punkt Zwei!“ knurrte er wütend. „So eine Gemeinheit! Du tust mir ja weh!“
    Der Protest war von einem kräftigen Rippenstoß begleitet, der dem Bruder zugedacht war, aber nun Michel traf. Obwohl er sich aufgerichtet hatte, war er immer noch halb im Schlaf und fiel erschrocken mit seinem ganzen Gewicht auf Punkt Zwei. Der Raum war eng. Punkt Zwei wurde gegen die Zeltwand gedrückt, ein Pflock: gab nach, und das Zelt stürzte über seinen Bewohnern zusammen.
    „Hilfe!“ brüllte Punkt Zwei, der keine Zeit gehabt hatte zu begreifen, was vorging.
    Jetzt erst kam Michel ganz zu sich, und wie immer war er in vergnügter Stimmung. Aber in Zeltbahn und Stricke verwickelt, konnte er die Lage durch seine ungeschickten Befreiungsversuche nur verschärfen.
    „Keine Angst!“ sagte er zu Punkt Zwei. „Es ist nichts passiert. Nur das Haus ist uns über dem Kopf zusammengefallen. Warte, ich helfe dir!“
    „Au, du erdrückst mich ja!“
    Punkt Eins auf der anderen Zeltseite war es gelungen, sich herauszuarbeiten und auf die Füße zu stellen. Er lachte schallend beim Anblick der durch wilde Zuckungen bewegten Leinwand, unter der die beiden Meerkatzen sich wie gefangene Tiere in einer Falle aufführten. Schließlich kam er ihnen zu Hilfe, hob die Zeltbahn an einem Ende hoch und hielt sie zurück. Michel und Punkt Zwei konnten aufstehen.
    „Wie steht’s?“ fragte Punkt Zwei. „Sind die anderen da?“
    „Leider nicht“, antwortete Punkt Eins. „Es wäre nett gewesen, wenn Raymond sich den Spaß mit unserem Zelt ausgedacht hätte. Aber wir sind immer noch allein …“
    Die Sonne war eben aufgegangen, und es wehte ein frischer Wind.
    Die Jungen liefen zu einer nahen Quelle, wuschen sich und brachten Wasser für den Kaffee mit. Auf einem Feuer von trockenen Zweigen wurde es zum Kochen gebracht. Dann richteten sie das Zelt wieder auf und gingen zum Strand Fußball spielen.
    Um elf Uhr kehrten sie an den Lagerplatz zurück, um ernsthaft Rat zu halten. Der Hauptteil des Stammes fehlte noch immer. Punkt Eins begann die Debatte mit der Erklärung, das einfachste wäre, sich nicht mehr darum zu kümmern.
    „Wenn sie uns nun mal im Stich gelassen haben“, sagte er, „müssen wir eben ohne sie auskommen.“
    Punkt Zwei stimmte seinem Bruder zu.
    „Wer aus dem Lager wegläuft, bricht seinen Meerkatzen-Schwur. Sie sind alle miteinander gemeine Schurken, und wir kennen sie nicht mehr!“
    Michel war nicht so unversöhnlich.
    „Wir drei haben auch schuld, weil wir ein paar Stunden zu spät daran waren. Sicher haben die anderen geglaubt, wir kämen überhaupt nicht mehr. Dann hatten sie durchaus das Recht, ihr Lager woanders aufzuschlagen. Vielleicht haben sie einen Platz gefunden, der ihnen besser gefällt …“
    „So kann es nicht gewesen sein“, widersprach Punkt Eins. „Wenn einer von uns dreien wirklich nicht hätte kommen können, dann würde er selbstverständlich Raymond Bescheid gegeben haben, und das weiß er auch ganz genau.“
    „Eben! Sie sind hergekommen, und dann sind sie wieder weggefahren“, sagte Punkt Zwei, „obwohl sie wußten, daß wir noch kommen würden!“
    „Ich werde es dir ganz genau sagen“, vollendete Punkt Eins. „Sie sind absichtlich nicht hiergeblieben. Wir sollten es mit der Angst bekommen und sie überall suchen!“
    „Aber warum eigentlich?“ fragte Michel. An soviel Bosheit konnte er nicht glauben.
    „Weil wir nicht rechtzeitig hier waren!“
    „Um uns dafür eins auszuwischen!“
    Michel ließ den Kopf hängen und erwiderte nichts mehr. Die Zwillinge mochten recht haben. Raymond und die anderen waren mit Absicht wieder weggefahren und hatten die Nachzügler sitzenlassen … Es ging Michel nahe.
    „Also gut“, fing Punkt Eins wieder an, „jetzt werden wir den Herren eins auswischen: Wir werden ihnen beweisen, daß es auch ohne sie geht.“
    „Für uns bleibt alles beim alten. Wir zelten bis Freitag hier und leben wie die Könige.“
    Der Tag verging mit dem Versuch,

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