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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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reichen. Und ob sie es wirklich wagen würden, Westfall anzugreifen, bezweifelte Craymorus. Korvellan wusste, wie stark die Provinz trotz ihrer Niederlage war.
    Die Männer der Miliz bestanden darauf, Craymorus bis zu seinem Ziel zu begleiten. Abwechselnd fuhren ein paar von ihnen in der Kutsche mit, während die anderen ihre Pferde an den Zügeln mitführten. Garrsy schien froh über die Begleitung. Der Überfall und der Tod eines seiner Soldaten hatten ihn sichtlich erschüttert. Sie hatten den Mann begraben und die toten Wegelagerer an einem Baum gehängt.
    »Nur noch Gesocks unterwegs«, sagte Tohm. An diesem dritten Morgen der Reise saß er Craymorus gegenüber in der Kutsche. Er war ein kräftiger, rotgesichtiger Mann, der sich selbst als Offizier bezeichnete, obwohl er nie in der Armee gewesen war. Seine Männer akzeptierten ihn als Anführer.
    »Aber wir haben's dem Pack gezeigt«, sagte der Mann neben ihm. Sein Name war Josyff, und ihm gehörte der größte Hof in Merborgh. Sein Gesicht war lang, die Mundwinkel heruntergezogen. Er stank nach Schweiß und Vieh. Sein Blick glitt immer wieder zu Craymorus, aber wenn er sprach, sah er den Boden an. Tohm waren solche Hemmungen fremd.
    »Bei den Vergangenen, das haben wir«, sagte er.
    Craymorus bemerkte Tohms auffordernden Blick. »Und ich habe euch dafür zu danken.«
    Die beiden Männer grinsten und nickten. Sie schienen seinen Dank nicht oft genug hören zu können.
    Aus den Augenwinkeln sah Craymorus Jonan an, der neben ihm auf der Bank saß und aus dem Fenster blickte. An der Unterhaltung beteiligte er sich nicht. Die anderen Milizsoldaten forderten ihn auch nicht dazu auf. Sie ließen ihn in Ruhe, in der Kutsche ebenso wie abends am Feuer. Craymorus hatte den Eindruck, dass Jonan nicht zu ihnen gehörte. Trotzdem ritt er mit ihnen.
    In die einsetzende Stille sagte Tohm: »Es war nicht der Rede wert, mein Fürst.«
    Josyff nickte. »Nicht der Rede wert.«
    »Wir sind nur Eurem Befehl gefolgt, mein Fürst.« Tohm legte eine Hand auf den Knauf des Messers, das in einer Lederschlinge an seinem Gürtel hing. »Und bald werden wir Euch auch einen Nachtschatten bringen.«
    Der Befehl, den er ansprach und der Craymorus unbekannt war, stammte wohl noch von Fürst Balderick. Anscheinend hatte er Reiter in die Dörfer Westfalls geschickt und die Menschen aufgefordert, ihr Land gegen den Feind zu verteidigen. Tohm behauptete, überall seien Milizen wie die seine entstanden, die Jagd auf Nachtschatten machten.
    »Ich denke«, sagte Craymorus, »ihr erfüllt eure Aufgaben so gewissenhaft, dass alle Nachtschatten aus Furcht vor euch verschwunden sind. Seid nicht enttäuscht, solltet ihr keinen finden.«
    Und schlitzt nicht stattdessen eure Nachbarn auf , fügte er in Gedanken hinzu. Die Nachtschatten, da war er sich sicher, waren längst nach Norden gezogen, Korvellans Armee entgegen. Ihm schauderte bei dem Gedanken, was die Milizen auf ihrer Suche bereits angerichtet hatten.
    In Tohms Augen leuchtete der Stolz. Er verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich in die Polster und lächelte. »Ihr seid ein weiser Mann, mein Fürst.«
    »Aber wenn …« Josyff sprach den Boden vor Craymorus' Füßen an. »Wenn uns nun doch einer begegnen sollte, wie würden wir ihn erkennen?«
    Tohm schnaufte und schlug Josyff gegen den Arm, so als wäre ihm dessen Dummheit unangenehm. »Am inneren Fell natürlich. Das hat doch der Herold gesagt. Das innere …«
    »Es gibt kein inneres Fell«, unterbrach ihn Craymorus.
    »Seid Ihr …« – … sicher? , hatte Tohm fragen wollen, doch dann ließ er den Satz unvollendet in der Luft hängen, so als hätte ihn der Mut verlassen.
    »Ich habe selbst nachgesehen.« Craymorus sagte nichts weiter. Sein eigener Tonfall erschrak ihn. Für einen kurzen Moment sah er sich in dem Raum hinter den Kerkern stehen, ein Messer in der Hand, den jungen Nachtschatten vor sich. Er erinnerte sich an den Geruch der Fackeln, an die Feuchtigkeit in der Luft, an die schwarz behaarten Hände der Kerkerwärter, die das Bein des Jungen gehalten hatten.
    Wieso habe ich ihn nicht längst umgebracht? , fragte er sich. Warum lasse ich ihn leben?
    Er schreckte vor der Antwort zurück.
    Die Stille in der Kutsche zog sich in die Länge. Zum ersten Mal glaubte Craymorus in den Augen der Milizsoldaten etwas anderes als Neugier und Respekt zu sehen. Kein Mensch hatte je Angst vor ihm gehabt, deshalb war er sich nicht sicher, ob er Angst in ihren Gesichtern las oder etwas

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