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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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anderes.
    Sein Blick glitt wieder zu Jonan. Er sah immer noch aus dem Fenster, aber sein Körper war reglos, so als lausche er auf jedes Wort.
    Craymorus schob die Schriftrollen zusammen, die zwischen ihm und Jonan auf der Sitzbank lagen. Er räusperte sich. »Stammt ihr alle aus dem gleichen Dorf?«
    »Ja«, antworteten Tohm und Josyff beinahe gleichzeitig, sichtlich froh über den Themawechsel. »Nein«, fügte Tohm dann hinzu. »Wir alle leben in Merborgh – außer Jonan. Er ist neu.«
    Craymorus sah Jonan an. Er war der Einzige, der keine Uniform trug. »Und woher kommst du?«
    »Aus dem Süden.«
    »Wo aus dem Süden?«
    »Ein kleiner Ort. Der Name würde Euch nichts sagen.«
    Tohm lachte so laut, dass Craymorus zusammenzuckte. »So ist er immer, wenn man ihn etwas fragt. Nehmt es ihm nicht übel, Herr. Er redet nicht gern über sich selbst.«
    »Das stimmt«, sagte Jonan und sah wieder aus dem Fenster.
    »Aber er ist ein guter Kämpfer.« Josyff richtete seine Worte an Tohm, nicht an Craymorus. »Der beste, den wir je hatten.«
    Tohm winkte ab. »Ich könnte ihm noch ein paar Dinge beibringen.«
    Wohl kaum , dachte Craymorus, schwieg jedoch. Tohm versuchte noch einige Male, die Unterhaltung wieder aufleben zu lassen, dann schwieg er ebenfalls.
    Draußen vor dem Fenster zog die Landschaft vorbei. Sie war karger geworden und felsiger. Seit drei Tagen entfernten sie sich stetig vom Großen Fluss. Sie hatten die Hauptwege hinter sich gelassen und fuhren tiefer hinein in das Land. Der Weg, den sie am Morgen eingeschlagen hatten, führte bergauf, nicht steil, aber fühlbar. Die Stadt der Magier war nicht mehr weit entfernt.
    Craymorus suchte vergeblich nach Merkmalen, die ihm vertraut erschienen, doch ohne die Magie, mit der das Land einst zum Erblühen gebracht worden war, hatte sich zu viel verändert. Vierzehn Jahre waren seit der Nacht vergangen, in der er den Weg das letzte Mal hinabgeritten war, die Pferdemähne in den Händen, die Arme seines Vaters rechts und links von ihm. Er hatte geglaubt, sein Vater nähme ihn mit auf ein großes Abenteuer. Erst sehr viel später hatte er erkannt, dass es eine Flucht gewesen war.
    Garrsy tauchte an Craymorus' Seite neben der Kutsche auf. Der breite Pferderücken raubte Craymorus den Blick auf die Landschaft. Er sah auf.
    »Wir sind da, mein Fürst«, sagte der Leutnant durch das Fenster. Die Wunde, die ein Wegelagerer in seine Wange gerissen hatte, war verschorft und ließ ihn strenger und älter aussehen. »Wie lauten Eure Befehle?«
    »Sagt den Soldaten an der Brücke, Craymorus Ephardus, Fürst von Westfall, wünsche den Magier Milus Ephardus zu sprechen.« Er hatte sich den Satz schon am Morgen der Abreise zurechtgelegt. So und nicht anders wollte er seinem Vater vorgestellt werden.
    Garrsy stand in den Steigbügeln auf, drehte den Kopf und setzte sich wieder in seinen Sattel. »Verzeiht, aber ich sehe keine Soldaten, Herr.«
    »Die Soldaten an der Brücke«, wiederholte Craymorus.
    »Da ist niemand, mein Fürst.«
    »Bringt mich hin.«
    Garrsy rief einen kurzen Befehl, dann drehte sich die Kutsche nach links. Durch das Fenster sah Craymorus ein Felsplateau, das spärlich mit Gras und Sträuchern bewachsen war. Holzbaracken zogen sich in zwei Reihen am Rand des Plateaus entlang. Ein Exerzierplatz lag davor. Unkraut überwucherte ihn. Die Fahnenmasten, von denen einst die Flaggen der vier Königreiche geweht hatten, ragten unbeflaggt in den grauen Himmel.
    Craymorus griff mit der Hand unter sein rechtes Bein und legte es auf die gegenüberliegende Sitzbank. Tohm und Josyff machten ihm Platz und wandten betont die Gesichter ab, so wie man sich von einem Mann abwendet, der gegen einen Baum uriniert. Craymorus zog die Lederriemen seiner Schienen fest, dann streckte er das linke Bein aus.
    Die Kutsche hielt an. Craymorus versuchte in der Enge aufzustehen. Er war plötzlich nervös. Tohm und Josyff hoben die Arme und versuchten ihn zu stützen, wagten aber nicht ihn anzufassen.
    »Geht es, mein Fürst?«, fragte Tohm.
    »Was sollen wir tun, Herr?«, fragte Josyff.
    Er ignorierte sie. Er benötigte keine Hilfe, nur ein wenig Platz. Jonan öffnete die Tür auf seiner Seite und stieg aus.
    Er zog die Krücken unter den Füßen der anderen hervor, lehnte sie an die Kutschwand und trat auf das Plateau hinaus.
    Craymorus folgte ihm. Seine Füße zogen Furchen in den roten Staub. Er erinnerte sich an diesen Staub. Jedes Frühjahr trug der Wind ihn von Süden über das Plateau in

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