Der verwaiste Thron 02 - Verrat
zur Seite. Sie fiel in das Pech, Feuer breitete sich aus.
Mit einem Sprung erreichte Schwarzklaue den Türrahmen. Marya starrte auf das brennende Pech.
»Wir müssen es löschen!«, schrie sie. »Wir brauchen das Schiff!«
Er zog sie mit sich. »Es wird brennen, egal, was wir tun. Komm!«
Sie liefen in den Gang, aber Schwarzklaue blieb stehen und sah zurück in den Raum. Rauch und Feuer bildeten eine Wand zwischen ihm und dem Offizier. Schemenhaft sah er dessen Gestalt, sah, dass er sich zur Wand gedreht hatte und mit den Fäusten gegen das Holz schlug.
»Holt mich raus!«, schrie er. »Holt mich doch raus.«
Seine Schreie wurden zu einem Husten. Er presste sich gegen die Wand, als wolle er in ihr verschwinden.
Schwarzklaue wandte sich ab. Der Offizier würde mit dem Rücken zum Feind sterben, feige bis in den Tod.
Als er an Deck ankam, quoll der Rauch bereits durch die Ritzen. Nachtschatten ließen zwei Beiboote zu Wasser. Ihre Rücken waren gebeugt, die Augen nach unten gerichtet.
Schwarzklaue trat an die Reling und sah die Leichen, die zwischen Holzstämmen und Trümmern im Fluss trieben. Es waren viele, vier oder fünf Dutzend, vielleicht mehr. Sie würden es erst genau wissen, wenn sie an Land waren.
»Verlasst das Schiff!«, rief er den Nachtschatten zu. »Ihr habt gekämpft wie wahre Krieger. Seid stolz auf euch!«
Die Krieger nickten, doch Schwarzklaue wusste, dass sie ebenso wie er erkannt hatten, dass der Sieg ohne das Schiff keinen Wert hatte.
Von der Reling sprangen sie ins Wasser. Sie schwammen zu den Beibooten und zu den Flößen, die den Beschuss überstanden hatten. Schwarzklaue sah auf, als Snellig neben ihn trat. Er hielt einige Pergamentrollen in der Hand.
»Ich habe Karten gefunden«, sagte er. »Ich weiß zwar, dass Kartenlesen nur was für Menschen ist, aber vielleicht sollten wir eine Ausnahme machen. Diese Karten werden uns sicher an Land bringen.«
Wie Diebe in der Nacht , dachte Schwarzklaue, nicht wie Krieger auf einem Siegeszug.
Trotzdem nickte er. »Gut.«
Rasch verließen die Nachtschatten das Schiff. Schwarzklaue blieb zurück. Marya wartete einen Moment auf ihn, schien aber dann zu spüren, dass er allein sein wollte, und sprang ebenfalls ins Wasser.
Schwarzklaue ließ seine Hand über die Reling gleiten. Das Holz war glatt und hart. Katapulte standen mit gespannten Schaufeln neben ihm, als würden sie darauf warten, von ihm beladen und abgeschossen zu werden. Wenn er die Augen schloss, sah er die Befestigungsanlagen von Charbont, sah, wie die Steine in sie einschlugen, hörte die überraschten Schreie der Verteidiger.
Er hustete, als Rauch in seinen Mund drang, und schlug mit der Faust auf die Reling. Unterschätze niemals, wozu Menschen in ihrer Verzweiflung fähig sind! Korvellan hatte diesen Satz zwar nie ausgesprochen, aber wenn er in diesem Augenblick da gewesen wäre, hätte er ihn wohl gesagt.
Siehst du, ich brauche dich nicht mehr , dachte Schwarzklaue. Sogar deine Lektionen bringe ich mir selbst bei.
Der Gedanke vertrieb die Wut ein wenig. Er strich ein letztes Mal über das Holz, dann wandte er sich ab – und stutzte.
Jemand bewegte sich im Rauch, der wie Nebel aus dem Deck aufstieg. Es war eine Gestalt – nein, zwei erkannte er, als er näher heranging. Sie schmiegten sich aneinander, bewegten sich mit seltsam hüpfenden Bewegungen.
Die Füße des einen – es war ein Mann – schleiften über den Boden. Feuer leckte an seinen Sohlen. Schwarzklaue roch verbranntes Fleisch, aber der Mann schrie nicht.
Er erkannte ihn, als Wind den Rauch aufwirbelte. Es war der Matrose, dem er das Rückgrat gebrochen hatte. Sein Kopf rollte auf seinen Schultern hin und her, aber seine Augen bewegten sich. Er lebte.
Die andere Gestalt trug einen langen schwarzen Mantel mit Kapuze. Sie hielt den Matrosen fest, schmiegte ihn an sich wie einen Geliebten. Sie hüpfte, zog ihn über das Deck, als tanzten sie zu einer unhörbaren Melodie.
»Daneel?«, fragte Schwarzklaue.
Die Gestalt brach ihren Tanz ab. Der Matrose rutschte aus ihren Armen zu Boden. Speichel tropfte aus seinem Mund und verdampfte auf dem Deck. Er sah auf seltsame Weise leicht aus, so als würde er auf dem Wasser treiben, wenn man ihn hineinwarf.
Schwarzklaue sah, wie die Haare des Matrosen Feuer fingen. Sein Gesicht war verzerrt, sein Mund weit aufgerissen. Seine Brust hob und senkte sich in schneller Folge.
Der Matrose schrie mit all dem Entsetzen und dem Schmerz, zu dem sein Körper fähig war, doch
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