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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Dachbalken hingen Glücksbringer aus Vogelfedern und Perlen an langen Fäden. Sie wiegten sich in der leichten Brise, die vom Hafen den Hügel heraufwehte. Die Wand hinter dem Tisch wurde von einem gewaltigen Wandteppich eingenommen, der eine höfische Szenerie zeigte. Ein Herrscher mit goldener Krone saß auf einem Thron, vor ihm knieten Händler, die Kisten voller Münzen und Juwelen präsentierten. Käfige mit exotischen Tieren waren im Hintergrund zu sehen, Soldaten standen an den Seiten. Ein Gesicht, das halb von einem schweren Vorhang verdeckt wurde, beobachtete die Szene scheinbar heimlich.
    »Gefällt er dir?«, fragte die Frauenstimme. Eine Gestalt, die von den Farben des Teppichs beinahe überlagert worden war, löste sich von ihm und trat vor.
    Es war die Frau vom Balkon. Langes schwarzes Haar fiel über ihre Schultern. Ihr Gesicht war fein geschnitten und dunkel. Winzige Falten umgaben Mund und Augen. Ana schätzte, dass die Fremde im gleichen Alter wie ihre Mutter war. Sie strahlte eine Anmut aus, die zu dem Teppich an der Wand passte, aber nicht zu dem Raum und der Lederrüstung, die sie trug.
    »Ja«, sagte Ana. Sie ging näher an den Teppich heran, betrachtete die Personen, deren Gesichtszüge so sorgsam eingestickt waren, dass sie beinahe lebendig wirkten. Ein Hauch von Parfüm mischte sich in den Geruch nach Holz und Meer.
    Sie zeigte auf das Gesicht hinter dem Vorhang. »Das bist du, oder?«
    »Der Künstler hatte Sinn für Humor«, sagte die Frau. Sie lächelte nicht. »Möchtest du etwas Tee?«
    »Gern.« Ana betrachtete den Mann, der auf dem Thron saß. Er war schlank, groß und bärtig. Sein rechter Arm hing über den Thron hinaus, seine linke Hand stützte sich auf den Knauf eines Richtschwerts. Er strahlte eine lässige Arroganz aus, so als interessiere ihn weder der Aufmarsch vor dem Thron noch die Waren, die ihm dargeboten wurden. Sein Gesicht kam Ana bekannt vor. Vergeblich suchte sie auf dem Teppich nach einem Wappen oder einem Familiensiegel.
    »Reichtum hat ihn nie interessiert«, sagte die Frau. Sie schien genau zu wissen, was Ana sich ansah. »Und Menschen haben ihn nur amüsiert.«
    »Wer ist er?«, fragte Ana.
    Hinter ihr klirrte Geschirr. »Du weißt, wer er ist.«
    »Nein. Er kommt mir bekannt vor, aber …«
    »Es wird dir wieder einfallen, Ana.«
    Ana spürte, dass das Thema beendet war. Sie drehte sich um. »Du kennst meinen Namen, aber ich kenne deinen nicht.«
    »Erys.«
     
     
    Erys stellte zwei Krüge mit Tee auf den Tisch. Sie hatte schmale Hände mit kurz geschnittenen, sauberen Nägeln. Ana dachte an Zrenjes breite, harte Hände, an die Schwielen an ihren Fingern und den schwarzen Rändern unter den Nägeln. Ihre Zofe hatte ihr gedient, das Feld bestellt, die Hühner gerupft und die Maka-Wurzeln geschnitten. Erys war der Name einer Sklavin – er bedeutete in der Alten Sprache des Flusses »Geduld« –, aber Ana bezweifelte, dass Erys' Hände je etwas Ähnliches wie Zrenjes getan hatten.
    »Du warst eine Sklavin, nicht wahr?«, fragte sie dennoch. Sie wusste nicht, wie sie es anders hätte formulieren sollen.
    Erys drehte den Krug zwischen den Händen. Ihre dunklen Augen musterten Ana. »ich wurde im besten Haus von Bochat ausgebildet und dann verkauft, so wie deine Mutter. Wir haben oft über sie geredet, uns gefragt, ob wir wohl einen ähnlich gütigen Besitzer wie deinen Vater finden würden.« Ihr Blick verhielt einen Moment auf dem Wandteppich. »Doch das ist lange her.«
    Ana trank einen Schluck Tee. Er war kühl und bitter. Sie sah auf, als ein Schatten durch den Türrahmen fiel. Er gehörte zu dem Mann mit dem weißen vernarbten Bauch.
    »Alles in Ordnung«, sagte er. »Das Mädchen ist wieder in der Zelle, den Nachtschatten haben wir erst mal in den Keiler gelegt. Kann sein, dass er tot auch etwas wert ist. Darna würde sich gern bei dir entschuldigen. Sie hat nicht geahnt, was sie uns ins Haus holt.«
    »Danke, Purro. Sag ihr, sie soll sich keine Gedanken machen.«
    Der Mann nickte und blieb stehen, so als erwarte er, hineingebeten zu werden. Als das nicht geschah, wandte er sich ab. Ana hörte seine Schritte auf der Treppe.
    »Hast du den Nachtschatten getötet?«, fragte Erys.
    Nein, ich war zu schwach. Ana schluckte die Antwort herunter. »Wir haben es gemeinsam getan. Wir hatten keine andere Wahl.«
    »Aber du hast es befohlen?«
    Ana hob die Schultern.
    Erys schien zu spüren, dass sie nicht darüber reden wollte, denn sie drängte nicht auf eine

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