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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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nur wenige Schritte bis dorthin. Hetie sah sie über ihre Fäuste hinweg an. Ihre Augen waren so blutunterlaufen, als habe sie die ganze Nacht geweint.
    Ana stieß sie hinein in den Gang. Die Frau, die über dem Nachtschatten hockte, drehte den Kopf. Sie stieß einen spitzen Schrei aus.
    Ana schlug die Tür zu. Der Schrei wurde dumpf und leise. Mit einem Ruck zog sie den Riegel vor, dann fasste sie Hetie an der Hand.
    »Komm.«
    Hetie nahm den Blick nicht von der Tür. »Was ist mit den anderen?«, fragte sie. Ihre Stimme zitterte.
    »Wir holen Hilfe. Dann kommen wir zurück.«
    Sie fragte sich, ob das eine Lüge war.
    Die eingeschlossenen Frauen schlugen gegen die Tür. Ana wandte sich ab und zerrte Hetie mit sich durch den schmalen Gang bis zur Treppe, die nach oben führte. Fackellicht bildete ein orangefarbenes Viereck auf den Stufen.
    »Weißt du noch, wo das Tor ist?«, fragte Ana.
    Hetie nickte.
    »Dort laufen wir hin. Egal, was sie tun, halt nicht ein, lauf immer weiter!«
    »Das werde ich, auch wenn sie mich umbringen. Marta sagt, Sklaverei sei schlimmer als der Tod.«
    Ana hörte ihr kaum zu. Sie lauschte nach oben, auf Schritte und Stimmen, doch es war still. Hinter ihr hämmerten die eingeschlossenen Banditinnen immer noch gegen die verriegelte Tür.
    Vorsichtig stieg Ana die ersten Stufen der Treppe hinauf, nur so weit, bis sie über die Falltür in den Raum, der dahinter lag, blicken konnte. Es war niemand zu sehen. Sie winkte Hetie zu sich. Gemeinsam schlichen sie nach oben. Das Hämmern und die Rufe der Eingeschlossenen blieben hinter Ana zurück.
    Die Tür zum Gemüsegarten war geschlossen. Ana wagte es nicht, sie zu öffnen. Sie hatte gelernt, dass es besser war, sich vertrauten Gefahren zu stellen als denen, die sich nicht abschätzen ließen. Es war ein guter Rat, glaubte sie, auch wenn sie nicht mehr darüber nachdenken wollte, wer ihn ihr gegeben hatte.
    Sie wandte sich nach links, der Theke und dem großen Schankraum zu. Hetie ließ sich von ihr an der Hand führen wie ein kleines Mädchen.
    Geduckt schlichen sie sich an der Theke vorbei. Die offen stehende Tür, die zum Innenhof führte, und das große geöffnete Tor, das dahinter lag, hielten Anas Blick fest. Ein Eselskarren fuhr draußen vorbei. Der alte Mann, der die Zügel in der Hand hielt, kaute auf einem Stück Brot. Eine Fackel erhellte seinen Weg. Er schien sich in einer anderen Welt zu befinden, weit weg von der, in der Ana sich den Mut für jeden Schritt erkämpfen musste.
    Sie schaute sich ihre nähere Umgebung an. Die Schlafplätze, in denen früher einmal Pferde gestanden hatten, waren fast unbenutzt. Decken lagen zusammengefaltet darin, nur zwei waren zerwühlt. Ana fragte sich, ob die Frauen, die sie in die Zelle eingesperrt hatte, dort geschlafen hatten.
    Sie schlich auf die Tür nach draußen zum Hof zu und blieb stehen, halb hinter dem Türstock verborgen. Die drei Frauen, die auf der Mauer Wache schoben, warfen im Mondlicht lange Schatten über den Hof. Sie trugen ihre Tücher vor den Gesichtern. Der Wind, der vom Fluss über die Stadt trieb, brachte Staub und Sand mit, der auf der Haut stach.
    Ein Mond stand hoch an einem sternenklaren Himmel. Der Tag war noch weit entfernt. Grillen zirpten, die Geräusche der nächtlichen Stadt stiegen wie Rauchschwaden den Hügel empor.
    Ana hörte Dielen über sich knarren. Jemand befand sich im oberen Stockwerk. Eine Tür wurde zugeschlagen, ein Mann rülpste so laut, dass sich die Wachen auf der Mauer umdrehten, dann knarrten Schritte auf der Treppe, die in den Hof führte.
    »Zurück«, flüsterte Ana. »Wir verstecken uns im Stroh.«
    »Ich kann nicht«, hörte sie Hetie mit leiser Stimme sagen.
    Und dann entglitt ihre Hand der von Ana, und sie rannte los, auf das Tor zu. Der Stoff ihres Umhangs wehte im Wind.
    Auf der Mauer fuhren die Wachen herum. Eine der Banditinnen lief zum Tor, aber Ana bezweifelte, dass sie es schließen konnte, bevor Hetie hindurchgeschlüpft war. Einen Augenblick lang wollte Ana hinterherlaufen, doch sie hatte noch nicht einmal einen Fuß aus der Tür gesetzt, als die Frau auf der Mauer ihr Schwert zog.
    Unwillkürlich wich Ana zurück.
    Die Banditin holte aus, warf es jedoch Hetie nicht entgegen, sondern schlug damit gegen einen Keil, der in einer Seilwinde steckte; Ana hatte sie vorher nicht bemerkt. Große Säcke, die an Seilen hingen, fielen auf beiden Seiten des Tors dem Boden entgegen.
    Das Tor schwang zu, so schnell, als würde sich ein Dutzend

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