Der verwaiste Thron 02 - Verrat
Leben, hatte ihn der Sklavenhandel gelangweilt, erst durch die Nachtschatten hatte er gelernt, Händler ebenso wie Sklaven zu verachten.
»Bist du geflohen?«, fragte Gerit.
Mikee hob die Schultern.
»Ich nehme es an«, sagte Ullo, »aber genau werde ich das wohl nie erfahren. Irgendjemand hat ihm die Zunge rausgeschnitten. Vor ein paar Tagen kam er mit ein paar anderen geflohenen Sklaven hier an. Sie sagten mir, sein Name sei Mikee und er kenne sich mit Fischen aus.«
Mikee hockte sich auf den Steg und begann Muans Fang zu sortieren, als wolle er sein Können beweisen.
»Sieht so als, als würde das stimmen, oder?«, sagte Ullo und grinste. »Er arbeitet jetzt für mich. Und dass er stumm ist …« Er zuckte mit den Schultern. »Meine Frau sagt ohnehin, ich würde für zwei reden.« Er lachte. »Die anderen sind weitergezogen. Sie haben mir erzählt, dass viele geflohene Sklaven auf dem Weg nach Norden sind.«
Und wieder geht einer von Korvellans Plänen auf , dachte Gerit. Gegen Schwarzklaues Willen hatte er die Sklaven, die mit den besiegten Armeen marschiert waren, freigelassen und ihnen gesagt, jeder, der seine Fesseln abwerfe, sei in seinem Volk willkommen.
Gerit hatte geglaubt, die Furcht vor den Nachtschatten würde stärker sein als der Drang nach Freiheit, aber da schien er sich geirrt zu haben – mal wieder. Die Sklaven, die nach Norden zogen, fehlten im Süden, so wie Korvellan es wollte.
Ullo räusperte sich, als niemand etwas sagte. Er musterte Gerit kurz, dann wandte er sich an Muan. »Ist das der Mann, den sich deine Tochter ausgesucht hat?«
Nari legte die Hände vor den Mund und begann zu kichern. Gerit spürte, wie seine Wangen heiß wurden. »Nein«, sagte er rasch. »Muan hat mich nur mitgenommen. Ich kenne seine Tochter gar nicht.«
Er hatte noch nicht einmal gewusst, dass Nari die Tochter des Fischers war.
Ullo wirkte überrascht. »Er hat dich mitgenommen? Von wo denn? Er …«
»Fische kaufen oder reden?«, unterbrach ihn Muan. Gerit fragte sich, wie viel er von der Unterhaltung verstanden hatte und ob er sie absichtlich an diesem Punkt unterbrach.
»Natürlich will ich deinen Fisch kaufen, mein Freund«, sagte Ullo, aber er wirkte abwesend, so als kreisten seine Gedanken immer noch um die Frage, die er gestellt hatte.
Gerit schulterte seinen Rucksack. »Ich muss jetzt weiter. Danke noch mal – und lebt wohl.«
»Leb wohl.« Muan nickte ihm zu, Varah lächelte. Nur Nari wandte den Kopf ab und sah auf den Fluss hinaus.
»Also dann.« Gerit blieb einen Moment stehen, dann drehte er sich um und ging den Steg hinunter auf die Stadt zu.
Er war noch keine drei Schritte weit gekommen, da hörte er Naris Stimme.
»Gerit!«, rief sie. »Wenn wollen, du immer willkommen. Immer Essen für dich in Dorf. Nicht vergessen.«
Er warf ihr einen langen Blick über die Schulter zu. Einen Lidschlag lang sah er sich neben Nari im Sand sitzen, während warmer Regen auf das Holz über seinem Kopf und den Fluss vor seiner Hütte fiel. Er lächelte und ging weiter. Es war nur ein Traum.
Hinter ihm sagte Ullo: »Gerit? Sein Name ist Gerit?«
Er ging schneller. Schritte folgten ihm, holten rasch auf.
»Halt!«, schrie Ullo. Zwei Nachtschatten, die am Ufer patrouillierten, sahen sich um. Sie waren zwanzig, vielleicht dreißig Schritte entfernt.
Gerit dachte an den Dolch in Ullos Gürtel. Er würde wie ein Feigling sterben, wenn ihn die Klinge im Rücken traf, so wie sein Vater gestorben war. Einen Moment lang sah er ihn vor sich, die blutige Robe, die an seinem Körper klebte, die Finger in die Tür gekrallt, das verzerrte Gesicht.
Gerit schüttelte das Bild ab. Ich werde so nicht sterben , dachte er. Die Schritte wurden lauter, schneller, hatten ihn fast erreicht. Er blieb stehen und drehte sich um.
Ullo war keine Manneslänge mehr von ihm entfernt. Er blinzelte überrascht, als Gerit sich umdrehte, und blieb ebenfalls stehen. Sein Blick glitt zur Seite. Er schien erst in diesem Augenblick zu bemerken, dass Mikee nicht mit ihm gekommen, sondern bei den Fischern geblieben war. Muan hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt. Es sah nicht so aus, als wolle er ihn gehen lassen. Nari umarmte Varah, die ihr über den Kopf strich.
»Was willst du?«, fragte Gerit. Er sprach fordernd, so wie er als Herr der Küche mit denen gesprochen hatte, die es nicht wagten, seinen Blick zu erwidern.
Ullo wirkte unsicher. Seine linke Hand berührte den Dolch in seinem Gürtel, dann steckte er sie in die
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