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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gestoßen. »Muss ich die Worte von deiner Zunge reißen?«, fragte er, unfähig, seine Ungeduld zu verbergen.
    Wolkenauge beachtete seinen Tonfall nicht. Ebenso langsam wie zuvor sagte er: »Alle zehn sind Deserteure. Sie haben in der Armee der Menschen gedient und die Seiten gewechselt. Solchen kann man nicht trauen, das sollte Korvellan wissen. Also denke ich, dass er vielleicht nicht nur nach Gomeran will, sondern weiter, dorthin, wo man Männer braucht, die wissen, wie man sich unter Menschen bewegt, ohne aufzufallen. Und deshalb frage ich mich, ob wir ihn wiedersehen werden.«
    Schwarzklaue nickte. Plötzliche Wut krampfte seine Kehle zusammen. Er knurrte lang und tief. Einige Nachtschatten, die einen Steinwurf entfernt am Ufer angelten, drehten sich überrascht um.
    »Behalte dieses Wissen für dich«, sagte Schwarzklaue leise.
    »Was willst du jetzt tun?«
    »Warten.« Mühsam brachte er das Wort hervor. Es schmeckte bitter. »Wir werden nichts unternehmen bis zur nächsten Blindnacht.«
    »Und wenn er dann noch nicht zurückgekommen ist?«
    »Das werden wir entscheiden, wenn es so weit ist.« Schwarzklaue ließ Wolkenauge stehen. Er hatte mehr als genug für einen Tag geredet. Er warf einen Blick auf den Fluss, aber das Boot war nicht mehr zu sehen.
    Wie weit, Korvellan? , fragte er sich in Gedanken. Wie weit bist du bereit zu gehen?

 
Kapitel 11
     
    In Westfall ist man zurecht stolz auf die Gesetzestreue der fürstlichen Untertanen. Es heißt, kein Bäcker müsse seine Backstube in der Nacht verschließen, weil kein anderer ihn bestehlen würde. Ebenso bemerkenswert ist die Anzahl der Soldaten, die man auf den Straßen sieht, und die der Galgen.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    »Erwache, mein Geliebter.«
    Craymorus öffnete die Augen. Mellies Haar kitzelte seine Wange. Ihre Lippen küssten seinen Hals. Sie waren rau und trocken, so wie Pergament.
    »Wo warst du?« Seine Stimme klang heiser. Er räusperte sich und blinzelte. Das Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel, warf ein helles Viereck an die Wand. Es war Morgen.
    »In der Stadt. Alle reden darüber.« Mellie küsste ihn erneut.
    Craymorus drehte den Kopf. Sie lag neben ihm, einen Arm angewinkelt unter dem Kopf, den anderen ausgestreckt auf seiner Brust. Ihre Finger spielten mit den Fransen der Decke.
    »Über was reden sie?«, fragte er, während er seine Hand auf die ihre legte.
    Sie lächelte. »Über die Prophezeiung. Ein Priester hatte in der Nacht eine Vision. Er sah einen Mann mit Krücken, der den eisernen Fürstenhelm Westfalls trug. Fürstin Syrah saß neben ihm. Sie hielt einen neugeborenen Jungen in den Armen. Vor ihnen lag ein Feld voller erschlagener Nachtschatten.« Eine Haarlocke fiel ihr ins Gesicht. Sie strich sie beiseite. »Man sagt, die Fürstin habe den Priester bereits empfangen.«
    Craymorus wich ihrem Blick aus und sah zur Decke. Sie schien tiefer zu sein als noch am Abend zuvor. Wieso tut die Fürstin das? , fragte er sich. Liebt sie ihre Tochter so sehr? In seinen Gedanken sah er Syrah wieder über sich stehen, die Arme verschränkt, den Mund verkniffen. Sie hatte zugesehen, als er über den Boden zu einem Regal gekrochen war, um sich daran hochzuziehen. In ihrem Gesicht hatte er keine Verachtung erkennen können, noch nicht einmal Spott, nur Kälte und Hass. Dass eine solche Frau bereit sein sollte, sich aus Liebe zu jemandem aufzugeben, erschien ihm seltsam. Und doch schien sie genau das zu tun.
    Es klopfte. Neben ihm schreckte Mellie hoch. Mit einer Geschmeidigkeit, die Craymorus bewunderte, glitt sie vom Bett und verschwand in einer Nische. Er strich die Decke glatt. »Ja?«, rief er.
    Die Tür wurde geöffnet. Craymorus hatte mit Oso, seinem Diener, gerechnet, aber stattdessen blieben zwei Gardisten unter dem Türsturz stehen. Craymorus glaubte nicht, dass es die Männer waren, die man ihm zugeteilt hatte, auch wenn er sich nicht sicher war. Es fiel ihm schwer, die Männer der Ewigen Garde voneinander zu unterscheiden. Er wusste nicht, woran das lag.
    »König Cascyr wünscht Euch zu sprechen«, sagte einer der beiden Gardisten. »Er erwartet Euch in seinem Quartier.«
    »Es ist mir eine Ehre, seinem Wunsch nachzukommen.«
    Craymorus wartete einen Moment, aber die Männer blieben in der Tür stehen. Ihre Blicke glitten durch den Raum, so als wären sie auf der Suche nach etwas.
    Oder jemandem , dachte Craymorus. Er wagte es nicht, zu Mellie hinüberzusehen.

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