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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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entgehen.
    »Was stehst du da draußen im Regen herum?«, krächzte eine Stimme plötzlich aus dem Halbdunkel jenseits der Tür. Sie klang so alt, dass Jonan nicht hätte sagen können, ob es die eines Mannes oder einer Frau war. Nur gefährlich klang sie nicht. »Komm schon rein.«
    Jonan ließ das Pferd stehen; er hatte kein Zaumzeug, mit dem er es hätte im Stall festbinden können. Er duckte sich unter dem Türrahmen hindurch und betrat das Gasthaus.
    Wärme strich über sein Gesicht wie eine trockene, weiche Hand. Das Gasthaus bestand nur aus einem Raum, doch der war so hoch, dass ein Mann, der auf den Schultern eines anderen stand, wohl kaum die Decke hätte berühren können. Von den Deckenbalken hingen Hängematten und Strickleitern. Darunter standen drei lange Tische, einige Bänke und Stühle. Im Kamin brannte ein Feuer. Seine Flammen schlugen bis in den Schornstein hinein. Ein großer Kessel hing neben dem Kamin an einer Eisenkette.
    Jonan nickte dem Mann zu, der ihm auf einen langen Stock gestützt entgegenhinkte. »Ich danke dir für deine Gastfreundschaft.«
    »Hast du Kupfer oder Silber?« Der Mann sah ihn aus trüben Augen an. Sein Rücken war bucklig, sein kahler Kopf von braunen Flecken übersät, und ein Netz aus Falten durchzog sein Gesicht. Es sah aus wie ein ausgetrocknetes Flussbett nach langer Dürre.
    »Ein wenig«, sagte Jonan. Es fiel ihm schwer, den Mann nicht anzustarren. Er hatte noch nie einen so alten Menschen gesehen.
    »Gut. Dann kannst du dich ausruhen.« Mit der freien Hand zeigte der alte Mann auf den Tisch vor dem Kamin. Seine Fingernägel waren lang und gelb, seine Finger gekrümmt. »Setz dich, bevor ein anderer dir den Platz wegnimmt.«
    »Ein anderer?«, fragte er.
    »Nur ein Scherz.« Der Mann grinste, und Jonan glaubte fast, die Haut des Alten müsse dabei aufplatzen wie eine Lehmform. »Es wird kein anderer kommen.«
    »Lebst du allein hier?«
    »Warum fragst du? Willst du mich ausrauben? Glaub mir, wenn du fünf Kupfermünzen in der Tasche hast, dann hast du fünf mehr als ich.«
    Jonan zog seine Stiefel aus und stellte sie an den Kamin. »Es war nur eine Frage.«
    Der alte Mann grunzte. Jonan spürte, wie seine Blicke ihn musterten.
    »Mein Name ist Pardus«, krächzte er schließlich.
    »Jonan.«
    »Bist du ein Soldat, Jonan?« Pardus hinkte zu einem der Fässer, die an der Wand standen. Krüge hingen darüber an Haken.
    »Nein.«
    »Du siehst aber aus wie ein Soldat«, sagte Pardus, während er den Deckel des Fasses abnahm und einen Krug hineintauchte. »Und ich habe schon viele Soldaten gesehen. Nicht in diesem Krieg, sondern im letzten.«
    Jonan kämpfte gegen die Müdigkeit. Die Hitze des Kamins umgab ihn wie eine Decke. »Der Krieg gegen den Roten König?«, fragte er, um wach zu bleiben.
    »Oder für den Roten König. Es gab nicht nur eine Seite.« Pardus legte den Deckel zurück auf das Fass und stellte den Krug vor Jonan auf den Tisch. »Lass den Wein warm werden.«
    Er setzte sich so vorsichtig und langsam, als habe er Angst zu zerbrechen. »Bist du auf dem Weg nach Süden, Jonan?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Es war eine Frage, die sich Jonan nicht einmal selbst beantworten konnte. Er hob die Schultern. »Weil dort mein Ziel ist.«
    Pardus schien ihm kaum zuzuhören. Er richtete den Blick seiner Augen in die Ferne. »Du solltest nach Osten gehen. Ich wollte immer nach Osten gehen, bis ans Ende der vier Königreiche und über den Ozean. Weg von allem.«
    »Warum bist du nicht gegangen?«, fragte Jonan. Er unterdrückte ein Gähnen. »Weil du ein Magier warst?«
    »Dir ist der Name also aufgefallen. Ich war mir nicht sicher.« Pardus räusperte sich. »Auf ›us‹ soll der Name eines jeden Magiers enden, auf dass er vom Volke stets unterschieden und mit dem rechten Auge betrachtet werden kann.«
    Es schien ein Zitat zu sein, aber Jonan wusste nicht, woraus es stammte.
    Mit dem Stock schob Pardus einige Holzstücke zurück ins Feuer. »Ja, ich war ein Magier. Kein besonders guter, aber ich war da an dem Tag, als sich der Rote König unserer entledigte. Ich floh, kam hierher – wusstest du, dass diese Straße früher zum Sommerpalast des Roten Königs führte? – und wurde Priester. Dann kam Balderick mit seinen Truppen und brannte alles nieder. Niemand blieb, außer mir.«
    Er lachte, ein Laut wie das Ächzen eines Blasebalgs. »Ich war alt, als der Krieg begann. Ich dachte, ich würde sein Ende nicht mehr erleben. Und jetzt bin ich noch älter, und es ist schon

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