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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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so müde, dass er den Kopf auf Rickards Schulter legte. Seine Beine baumelten über dem Schnee, zitterten unter den Krämpfen, die über sie hinwegrollten wie Wellen über einen Strand. Die Metallschienen waren verbogen, die Hose blutbefleckt.
    Er schloss die Augen und rief sich die Worte des Zaubers ins Gedächtnis, versuchte sie zu einem Teil seiner selbst zu machen. Jeden freien Moment hatte er mit seinem Studium verbracht. Es erschreckte und erleichterte ihn zugleich, wie gut er ihn beherrschte.
    Als er die Augen wieder öffnete, war es Tag. Die Sonne war ein verwaschener gelber Fleck, halb verborgen hinter einem grauen Himmel. Die Mine lag vor ihm, still, scheinbar verlassen. Karren standen halb beladen im Schnee. Zwei Ochsen zogen einen über den Weg und blieben stehen, als die Räder im Schnee stecken blieben. Der Kutschbock war leer.
    Craymorus spürte den Tod, noch bevor er die Leichen sah. Es waren Männer, Frauen und Kinder, Arbeiter und Wachen, sogar Ratten und Vögel. Sie lagen im Schnee. Die Gesichter von Menschen und Nachtschatten waren verzerrt, die Augen aufgerissen und gefroren. Er zählte ein Dutzend, dann sah er nicht mehr hin. Ihm war übel geworden.
    »Sie ist hier, Rickard«, flüsterte er. »Sei vorsichtig.«
    In der Mine war es dunkel. Die Fackeln und Lampen, die in den Stollen hingen, waren längst erloschen. Rickard stieg über Leichen hinweg, die er trotz der Dunkelheit zu sehen schien. Er stolperte kein einziges Mal, als sie die lange Wendeltreppe hinuntergingen.
    Craymorus lauschte in die Stollen hinein. Er hörte das Plätschern von Wasser. Steine knackten, die hölzernen Balken knirschten unter dem Gewicht des Bergs, den sie stützten. jemand lachte. Es war eine helle, klare Stimme. Sie hallte von den Wänden wider, floss durch die Gänge wie Wasser, weich und doch laut und kräftig.
    Craymorus biss sich auf die Lippe. Sein Herz hämmerte.
    Adelus.
    Er konnte nicht erkennen, woher die Stimme kam. Es zweigten so viele Gänge ab, es gab so viele kleine Höhlen und Nischen, dass jedes Geräusch verzerrt wurde. Trotzdem drehte er den Kopf, suchte nach Schemen in der allumfassenden Dunkelheit.
    Rickard achtete nicht darauf. Er ging weiter, tiefer in die Mine hinein. Irgendwann bog er ab, ging ein paar Schritte weiter und drehte sich nach rechts.
    Craymorus biss die Zähne zusammen, als seine Beine zwischen zwei Felsen gequetscht wurden. Er blinzelte in bläulich kaltes Licht und hob den Kopf.
    Die Höhle war hoch. Ihre Form verwirrte ihn. Mal glaubte er, alles von ihr zu sehen, dann folgte er einer Linie und verlor sich darin. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich, aber es half nicht. Ihm wurde schwindelig.
    Rickard ging zu einem Bach, der durch die Mitte der Höhle floss. Er war schmal. Craymorus konnte den Grund nicht erkennen, so tief war er. Das Wasser wirkte schwarz. Rickard drehte sich und ging an dem Bach entlang.
    Mit jedem Schritt schien die Höhle größer zu werden. Craymorus sah zurück, doch der Eingang war verschwunden. Es knackte in seinen Ohren, so als gingen sie steil bergab. Oder war es bergauf?
    Plötzlich ging Rickard in die Knie. Craymorus ließ ihn los. Es war besser, auf die Seite zu fallen als auf die Beine.
    Er schlug auf den Fels. Er war weder warm noch kalt, nur glatt. Craymorus ließ die Hand darübergleiten. Es fühlte sich an, als würde er eine Schlange berühren.
    Er kroch zu einem Felsen und lehnte sich mit dem Rücken daran. Seine Beine hinterließen eine dünne Blutspur, aber sie perlte von den Felsen ab, so als weise der Stein selbst dieses bisschen Leben zurück.
    Rickard hockte vor ihm. Sand quoll aus einem Riss zwischen den Steinen empor. Mit den Händen schaufelte er ihn sich in den Mund.
    »Iss, mein Freund«, sagte Craymorus leise. »Iss, so viel du kannst.« Er zog die Schriftrolle aus dem Hemd und begann sie zu lesen, aber seine Blicke glitten immer wieder zu Rickard. Er wartete, spürte jedoch keine Ungeduld, keine Angst davor, überrascht zu werden, bevor es so weit war. Die Zeit, Teil des Lebens, spielte in der Welt, die er erreicht hatte, keine Rolle.
    Als Rickard sich aufrichtete, rollte Craymorus die Schriftrolle zusammen und legte sie neben sich. Seine Hände zitterten nicht, seine Stimme war klar, als er den Zauber zu sprechen begann. Er sah Amaras Gesicht vor sich: Sprecht ihn einmal, Fürst. Danach werdet Ihr ihn nie wieder benötigen.
    Rickard drehte sich um, und Craymorus sah in seine weißen Augen. »Gut gemacht,

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