Der verwaiste Thron 03 - Rache
lag.
»Ist er tot?«
»Nein, aber vielleicht wäre es besser.« Korvellan wirkte angewidert. »Kommt jetzt!«
Craymorus hob den Speer auf, den der Nachtschatten weggeworfen hatte. Korvellan zog ein Schwert aus dem Gürtel.
»Hast du keine Angst, einen zu töten?«, fragte Craymorus. Das Pochen in seinem Kopf ließ nach. Die Benommenheit wich.
»Ich habe schon ein paar getötet. Ich glaube nicht, dass man mehr als einmal verdammt werden kann.« Er trat einen vorbeitaumelnden Besessenen zur Seite. Ein anderer fiel unter seinem Schwert.
Craymorus folgte ihm durch die Menge. Blutlachen bedeckten den Boden. Einige Besessene hockten um eine Leiche herum und aßen. Craymorus würgte trocken.
Die Soldaten, die ihn sahen, kamen näher. »Was sollen wir tun, Herr?«, rief einer, der aus einer Stirnwunde blutete.
»Wir müssen zum Tor.«
Immer mehr Menschen schlossen sich ihnen an, angezogen von den Uniformen und vielleicht, dachte Craymorus, auch vom Anblick des Fürsten zwischen den Soldaten. Sie wichen den Besessenen aus, wann immer es ging, doch einige weiße Leiber fielen unter Korvellans Schwert.
»Nachtschatten«, hörte Craymorus einen Flüchtling sagen. »Sie haben keine Seele.«
Er sah zu den Türmen, als sie sich dem Tor näherten. Die Bogenschützen bemerkten die große Gruppe und richteten ihre Bögen auf sie. Ihre Pfeilspitzen blitzten in der Sonne.
»Auseinander.« Craymorus streckte die Arme aus. »Bogenschützen!«, schrie er, so laut er konnte. In seiner Kehle kratzte es. »Euer Fürst lässt jetzt das Tor öffnen. Erkennt ihr mich?«
Er sah Bewegung zwischen ihnen. Dann rief eine Stimme zurück: »Ja, Herr.«
Craymorus atmete auf. Er nickte den Soldaten zu. »Öffnet das Tor. Beeilt euch.«
Er sah wieder hinauf zum Turm. »Bringt euch in Sicherheit! Die Festung ist verloren.«
»Nein, ist sie nicht«, sagte jemand hinter ihm. »Seht doch!«
Er hatte sich noch nicht umgedreht, als die Rufe begannen.
»Magier!«
»Magier!«
»Magier!«
Sie tauchten aus dem Rauch auf wie Geister. Ihre Gesichter waren rußgeschwärzt, ihre Roben dreckig. Die Haare eines Magiers brannten; er schien es nicht zu bemerken. Mit der gleichen Ruhe, die auch alle anderen zeigten, schritt er die breite Treppe hinunter. Adelus und Milus bildeten die Spitze der Gruppe.
»Was zum …«, hörte er Korvellan neben sich sagen. Der Rest seiner Worte ging im Chor der Rufenden unter.
Dann sah er Mellie. Die Magier bildeten einen Kreis um sie. Ihr Gesicht war ein weißer Fleck zwischen Ruß und Rauch. Sie trug ein bodenlanges rotes Kleid. Es hatte Syrah gehört und war ihr zu groß.
Die Magier begannen zu tanzen. Ihre Schritte rissen Steine aus dem Boden und schleuderten Dreck empor. Die Luft knisterte. Funken stoben auf, Strohballen brannten.
»Magier!«
»Magier!«
»Magier!«
Die Rufe hallten von den Festungsmauern wider. Der brennende Magier schien die Menschen nicht so zu verstören wie Craymorus.
Sie wissen nicht, was ein Magier vermag und was nicht , dachte er. Sie denken, das ist Teil ihres Plans.
Erwachsene umarmten sich, Kinder, zu jung, um zu verstehen, was geschah, aber angesteckt von der Aufregung ihrer Eltern, klatschten in die Hände. Soldaten streckten die Speere in die Luft.
Und dann starben sie.
Sie griffen sich an die Kehle, ihre Gesichter färbten sich rot, so als hätte die Luft um sie herum plötzlich zu kochen begonnen. Mellie schlenderte an ihnen vorbei, zeigte mal auf den einen, dann auf den anderen, tötete mit einem Fingerzeig, einem Blinzeln, einem Lächeln.
Rufe verwandelten sich in Schreie. Menschen rannten mit angstverzerrten Gesichtern über den Hof. Besessene rissen sie auseinander, nur um sich im nächsten Moment selbst an die Kehlen zu greifen.
Der brennende Magier brach zusammen. Sein Kopf war verkohlt, seine Robe hatte Feuer gefangen.
Ein Schaudern schien Mellie zu durchlaufen. Sie legte den Kopf in den Nacken, als wolle sie die Luft trinken. Craymorus hatte sie noch nie so lebendig gesehen.
Korvellan zog ihn zur Seite. »Was macht sie da?«
Craymorus hob die Schultern. Er konnte nicht aufhören, Mellie anzusehen. Sie war so schön wie an dem Tag, an dem sie zum ersten Mal in seinem Zimmer gestanden hatte. Er erinnerte sich auf einmal wieder daran, wie sehr er sie einmal geliebt hatte.
Doch das war vorbei. Es war eine Lüge gewesen, nicht mehr.
»Bogenschützen!«, schrie er den Turm hinauf. »Tötet die Frau im roten Kleid!«
Er nahm den Blick nicht von Mellie. Ein paar
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