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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ergriff seine warme, harte Hand.

 
Kapitel 14
     
    Der unerfahrene Reisende sollte in Westfall Vorsicht walten lassen, denn nur allzu leicht ist es, Menschen, denen er dort begegnet, zu beleidigen. So gilt es als unhöflich, die Vergangenen ohne ausreichenden Anlass zu erwähnen, sich ihrer in Form eines Fluchs zu bedienen, an ihren Ruinen vorbeizuziehen, ohne sie zu besuchen, oder gar an ihrer Existenz zu zweifeln. Gerade Letzteres hat schon manche Reise vorzeitig an einem Galgen enden lassen.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    Wie war es nur so weit gekommen?
    Die Frage ließ Craymorus nicht los. Sie kreiste durch seine Gedanken, während er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe aus dem Kerker hinauflief. Schreie hallten von den Steinen wider, Rauch zog träge an ihm vorbei. Weit hinter ihm splitterte krachend Holz. Die Besessenen schlugen die nächste Tür ein.
    Soldaten, Wärter und Gefangene flohen mit Craymorus aus dem Kerker. Er trat in etwas Weiches, wäre beinahe gestolpert und sah nach unten. Die blutige Leiche eines Soldaten blickte zurück. Er war zu Tode getrampelt worden. Schaudernd dachte er daran, was wohl mit ihm selbst geschehen wäre, wäre er noch auf seine Krücken angewiesen.
    Er war außer Atem, als er das Ende der Treppe erreichte. Die Soldaten, die dort oben standen, schienen Bescheid zu wissen, denn sie trugen bereits Schränke und Tische zusammen, alles, was sich als Barrikaden verwenden ließ. Andere hielten Fackeln in der Hand, mit denen sie die Besessenen wohl zurücktreiben wollten.
    »Wo sind die Magier?«, fragte Craymorus den ersten Offizier, den er sah.
    »Ich weiß es nicht, Herr.« Angst flackerte in den Augen des Mannes wie Fieber. »Ist es wahr, dass die Besessenen ausgebrochen sind?«
    »Ja. Sag deinen Männern, ich zahle jedem, der einen tötet, fünftausend Goldstücke.«
    Der Offizier sah ihn entsetzt an. Craymorus glaubte nicht, dass er das Angebot weitergeben würde. Er spürte das Blut, das seine Finger verklebte, und fühlte sich schmutzig. Wer einen Besessenen tötete, hieß es, ließ den Dämon, der in dessen Innerem wütete, frei und brachte Unglück über sich und sein Dorf. So viele Geschichten hatte er darüber gelesen, so viele Legenden gehört, und doch hatte er es getan.
    Er schüttelte den Gedanken ab. Es war geschehen, nichts ließ sich mehr daran ändern.
    Hinter ihm wurde die Tür zugeschlagen. Soldaten begannen, Barrikaden zu errichten. Craymorus sah Korvellan zwischen ihnen. Er hatte wieder seine menschliche Gestalt angenommen und reichte den Männern Stühle und Tische an. Die meisten waren zu jung, um zu wissen, wer er war.
    »Leutnant Barganim!«, rief Craymorus.
    »Ja, Herr.« Barganim bahnte sich einen Weg durch die Menge.
    »Ich will, dass vier Mann zu Korvellans Bewachung abgestellt werden. Sorge dafür.«
    »Ja, mein Fürst.«
    Craymorus wollte sich abwenden, aber der Leutnant griff nach seinem Arm. »Was wird jetzt aus uns?«, fragte er.
    »Denk nicht darüber nach.«
    Die Antwort schien Barganim zu enttäuschen, denn er senkte den Kopf. »Wenn ich sterben sollte, Herr«, sagte er so leise, dass Craymorus ihn über den Lärm kaum verstand, »werdet Ihr dann meiner Familie das Gold zukommen lassen?«
    »Natürlich.« Craymorus sah ihn an. Barganim hatte den Blick eines Mannes, der seinen Tod bereits vor Augen hatte. Er würde sterben, das erkannte Craymorus in diesem Moment, und er selbst erwartete nichts anderes.
    »Ich werde die Magier suchen«, sagte er. »Haltet die Tür, so lange es geht.«
    »Ja, Herr.«
    Soldaten liefen Craymorus entgegen, als er sich umdrehte und den Gang hinunterging, der zu den Quartieren der Magier führte. Jeden, den er traf, fragte er nach den Magiern, doch niemand hatte sie gesehen.
    Ihre Quartiere lagen im Gästeflügel. Einen ganzen Gang mit mehr als zwanzig Zimmern hatte Craymorus ihnen zur Verfügung gestellt. Er blieb davor stehen, als er sah, dass die meisten Türen offen standen. Langsam ging er weiter, warf immer wieder einen Blick in die Zimmer. Er sah tiefe Teppiche, Weinkaraffen, Teller voller Obst – und tote Sklaven.
    In fast jedem Zimmer lagen sie, zusammengekrümmt und mit aufgerissenen, gebrochenen Augen. Es war nicht zu erkennen, was sie getötet hatte, aber sie waren voller Angst und Schmerz gestorben. Bei ihrem Anblick wurde ihm kalt.
    Am Ende des Gangs drehte er sich um und ging zurück, die Augen starr geradeaus gerichtet. Trotzdem glaubte

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