Der verwaiste Thron 03 - Rache
Nachtschatten in den Hintern. »Aufstehen!«, brüllte er über die Wiese. Sein Rücken straffte sich. Er fühlte sich so wach wie selten zuvor in seinem Leben. Um ihn herum kamen Nachtschatten gähnend auf die Beine.
Schwarzklaue wartete, bis sich ihre Blicke auf ihn richteten, dann zeigte er auf den Rauch hinter dem Hügel. »Heute ist unser Tag«, sagte er. Mehr nicht. Es reichte.
Sie stürmten den Hügel hinauf, mit Klauen, Schwertern, Speeren, auf Pferden und Tatzen. Zum letzten Mal warfen sie sich der Festung entgegen, das spürte Schwarzklaue. Der Geruch nach Blut und Rauch hing in der Luft, forderte ihn heraus.
Er dachte an Korvellan. Ich werde es auch ohne dich schaffen.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Redalyo neben ihm den Hügel hinaufritt. Der Feigling trug einen Helm und eine Brustplatte aus Metall. Zwei Langschwerter hingen an seinen Hüften. Er sah beinahe aus wie ein Mensch. Schwarzklaue schüttelte den Kopf.
Langsam kam die Festung näher. Zuerst schoben sich die Türme hinter der Hügelkuppe empor, dann das Dach des Haupthauses. Rauch quoll aus einigen Fenstern. Auf den Mauern standen Soldaten, doch sie sahen ins Innere der Festung, nicht hinaus. Der Wind trug ihre Schreie über den Hügel.
»Was ist da los?«, fragte Redalyo.
Im nächsten Moment explodierte das Tor. Eine Wolke aus Holzsplittern und Metallstaub hüllte die Mauern ein und fiel dann in sich zusammen. Das Tor war verschwunden, der Weg in die Festung frei.
Schwarzklaue sah Magier, die ungeschützt von Soldaten und Schilden vor die Mauern traten. Eine rote Robe – oder war es ein Kleid? – blitzte zwischen ihnen auf, die einzig leuchtende Farbe in dieser rußgrauen Prozession.
Schwarzklaue knurrte, als er sah, dass Nachtschatten, die näher an den Magiern waren, zum Angriff ansetzten. Er war noch mehr als drei Speerwürfe von ihnen entfernt. Nichts mehr würde von ihnen übrig sein, wenn er dort ankam.
Die Nachtschatten brachen zusammen. Schwarzklaue roch ihren Tod und brüllte den Magiern seine Wut entgegen. Ein seltsam metallischer Geschmack lag auf seiner Zunge, süßer als Blut, bitterer als Galle. Die Luft knisterte. Er spürte, wie sich das Fell in seinem Nacken aufstellte.
Die Magier gingen den Hügel hinab, als wäre nichts geschehen. Das rote Kleid zwischen ihnen wehte im Wind. Schwarzklaue erhaschte einen kurzen Blick auf das Gesicht einer jungen Frau. Er fühlte sich unwohl, wie jemand auf einem Schiff, der wusste, dass er bald seekrank werden würde. Schwarzklaue schüttelte sich und sah weg. Das Gefühl verging.
»Was jetzt?«, fragte Redalyo. Sein Pferd tänzelte nervös.
»Lass sie ziehen.« Fünfzig Krieger hatten sie in einem einzigen Lidschlag getötet. Er und der Feigling würden nichts gegen sie ausrichten können. Die anderen Krieger schienen ebenso zu denken, denn sie folgten den Magiern nicht, sondern wandten sich wieder der Festung zu.
Schwarzklaue sah der Prozession nach. Sie bewegte sich in Richtung Stadt. Es wirkte nicht so, als würden die Magier noch einmal zurückkehren.
Umso besser , dachte er und lief los. Redalyo blieb in seiner Nähe.
Schwarzklaue wich vereinzelten Pfeilen aus. Die Bogenschützen, die so viele Krieger getötet hatten, waren größtenteils von den Türmen verschwunden. Die gesamte Verteidigung der Festung war zusammengebrochen, aber Schwarzklaue verstand nicht, weshalb.
Doch dann sah er die weißen Leiber, die sich ihm entgegenschoben, und hörte die bestürzten Rufe einiger Krieger.
»Besessene!«
Der Sturm auf die Festung stockte. Redalyo zügelte sein Pferd. Schwarzklaue sah ihn an. »Was soll das heißen?«, brüllte er. Die aufgequollenen weißen Leiber widerten ihn an. Sie stanken nach Wahnsinn.
Redalyo schien im Sattel zusammenzusinken. »Es sind Menschen, die Dämonen in sich tragen. Wer sie eigenhändig tötet, lässt den Dämon frei und wird dafür von den Göttern verdammt.«
Schwarzklaue knurrte. »Wer glaubt denn so eine Scheiße?«
»Jeder im Süden glaubt daran. Wir lassen Besessene verhungern oder jagen sie in die Sümpfe, um sie loszuwerden. Niemand würde einen umbringen.«
Der Feigling hatte recht. Die Krieger, die aus dem Süden stammten, versuchten den Besessenen auszuweichen, während die aus dem Norden sie zerfleischten. Im Norden gab es keinen Platz für dummen Aberglauben. Es gab Feinde und Freunde. Den Feind tötete man, dem Freund half man. Um die Toten kümmerten sich die Götter. So war es immer gewesen, so würde es immer sein.
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