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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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nur noch das Weiße zu sehen war,
und Blitze aus aggressiven Informationen umzuckten seinen Stab. Er rief und plapperte in einer uralten heidnischen Zunge, als er die Programme lancierte, die Gott den Weg bereiten sollten.
    Wir beobachteten, wie die Schwarze Annis durch den Sturm des Heiden schritt. Die Verteidigungsprogramme der Speiche, die sich als Wassergeister manifestierten, wurden vom Sturm zurückgedrängt oder von Annis zerschlagen, worauf sie zu Pfützen zusammenfielen. Hoch über dem Heiden und Annis sah ich die Firmenpolizisten der Speiche, deren Avatare die Gestalt verschiedener mythologischer Wasserwesen hatten. Ihre Angriffe wurden vom Sturm der Verteidigungssoftware zurückgeschlagen.
    Die Wasserwände des Kinos teilten sich für Annis. In der Hand hielt sie etwas, das wie eine alte Schachtel mit einem Springteufel aussah. Ich beobachtete, wie ihre blauhäutigen Krallenhände den Mechanismus aufzogen, während sie in die Lobby des Kinos trat. Dann legte sie den Kasten auf den Boden.
    Der Heide beendete seinen Singsang und stieß so etwas wie einen Urschrei aus. Er schlug mit dem Stab nach unten. Dadurch schien die Luft selbst in einer Explosion aus Blitzen zu zerreißen. Die unsichtbaren Luftgeister der subtileren Verteidigungsprogramme der Speiche leuchteten auf und stürzten in die Tiefe. Vom Stab des Heiden jagte ein Blitz durch die Luft in das Kino innerhalb des Turms aus Wasser. Annis wurde ins blasse Neon- und Blitzlicht getaucht und trat von der Schachtel zurück, als der Blitz des Heiden, der Aktivierungscode, hineinfuhr.
    Ich beobachtete, wie die Schachtel sich ausbeulte und aufbrach. Unmöglich helles Licht zeigte sich hinter den Rissen. Und dann passierte es. Dann passierte das, was für mich keinen Sinn ergab. Ich war nicht im Netz, ich schaute nur zu, aber irgendwie spürte ich es trotzdem. Genauso wie jeder andere.
Vielleicht waren es auch nur die anderen, die ich spürte, denn auf einer bestimmten Ebene sind wir alle mit der Kommunikationsinfrastruktur unserer Spezies verbunden. Ich sah, wie die Schachtel schließlich ganz aufplatzte. Es war wie die amorphe Masse aus Tentakeln und Pseudopodien, die ich in meinem Traum vom ersten Angriff auf SIE gesehen hatte. Nur dass diese nicht schwarz waren, sondern aus hellem weißem Licht und allen möglichen Farben bestanden und wunderschön waren. Die Tentakel peitschten in alle Richtungen, schneller und zahlreicher, als mein Geist begreifen konnte - in alle möglichen Richtungen und auch in einige Richtungen, die eigentlich unmöglich waren.
    Ich konnte Morag und den Heiden lachen hören, und dann weinte der Heide. Ich war mir nicht sicher, ob es im Netz oder hier bei mir geschah. Sie sendeten weitere Übertragungen aus dem Netz, Viz-Bilder aus der gesamten Informationsschattenwelt. Ich sah Bilder, wie Gott über jeden Highway, jede Straße, jeden Weg und auf jede Site und in jedes Netzkonstrukt brauste. Ich sah die schockierten Gesichter einiger besser gerenderter Avatare. Dann verwandelte sich der Schock entweder in Panik oder Ehrfurcht. Ich vermutete, es hing davon ab, wie sie Gott betrachten wollten. Ich beobachtete, wie die informationstechnische Reflexion unserer Welt hell erstrahlte.
    Dann kamen die Reaktionen. Alle möglichen Datensonden, Analyseprogramme, Kommunikationsprogramme und natürlich auch die unvermeidlichen Angriffsprogramme. Von einzelnen verängstigten Avataren bis hin zu konzertierten Angriffen von Regierung und Konzernen. Damit war wohl zu rechnen. Schließlich hatten diese Leute viel zu verlieren, und soeben wurden ihre Systeme auf jedem Niveau verletzt. Nicht jedes Geheimnis, das sie hüteten, war Allgemeinwissen. Trotzdem kam mir das meiste irgendwie unbedeutend und bösartig vor. Wie Insekten, die einen Berg stachen. Erst in diesem Moment fragte
ich mich, ob die Welt, wie wir sie kannten, weitergehen würde, unsere Kultur, unsere Gesellschaft. Ich vermutete, dass die Angriffsprogramme gut waren, aber irgendwie wirkten sie inkompetent und stumpfsinnig. Mir kam der Verdacht, dass ich zu viel Zeit in der Nähe des Heiden verbracht hatte und ich allmählich dem Glauben verfiel.
    Auf einmal erschien Mudges Gesicht grinsend, betrunken und high auf jedem Sichtschirm, von Monokeln bis zu riesigen Hologrammschirmen, die in den Himmel projiziert wurden. Von Viz-Bildschirmen in Wohnungen bis zu den Werbeflächen an der Wand von Zeppelinen. Sein Bild musste auch auf den Trucks des Big Neon Voodoo zu sehen sein. Irgendwie wusste

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