Der Veteran: Roman
Zeitpunkt gewesen war. Einfach wunderbar , dachte ich. Dieses Mädchen hatte möglicherweise viel schlechtere Überlebenschancen als ich. Erneut nahm ich einen Zug von der Zigarette. Die Glut erhellte mein verbranntes Gesicht, und ich sah, wie Morag zusammenzuckte.
»Hast du Leute, zu denen du gehen kannst?«, fragte ich.
Sie sah aus, als hätte ich ihr eine Ohrfeige verpasst.
Ich drehte mich um und stapfte durch den zähen Matsch auf die Lichter der Rigs zu. Ich hörte, wie sie sich hinter mir durch den Schlamm kämpfte.
»He!«, rief sie, doch ich hörte nicht darauf. »He!« Ich ging weiter. »Bleib stehen, du verdammter Scheißkerl!«, brüllte sie schließlich.
Ich blieb stehen und fuhr zu ihr herum. »Ich bin schon so gut wie tot, verstehst du? Die Leute, denen ich auf die Füße getreten bin, lassen nicht locker. Sie werden nicht aufhören, bis sie mich gefunden und getötet haben. Ich weiß nicht, ob sie irgendwas über dich wissen, aber wenn ja, wäre es für dich das Beste, wenn du abhaust und dich so gut wie möglich versteckst.«
Sie blickte zu mir auf. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Die Angst war verschwunden und durch etwas anderes ersetzt worden. Sie sah aus, als wollte sie mit mir diskutieren, doch dann schien sie plötzlich jede Lebenskraft zu verlieren. »Und wo wirst du sterben?«, fragte sie.
Darüber hatte ich noch gar nicht genauer nachgedacht. »Keine Ahnung.« Ich hatte nicht genug Bargeld für die Kabinen, obwohl das eine nette Idee gewesen wäre. Wegdriften und ganz zu körperlosem Geist werden. Dann trat die Graue Lady leise in die Kabine und zertrennte mir mit einer Kugel, einer Klinge oder einem Gift den Lebensfaden. Das wäre ein friedvoller Tod. »Ich denke, ich besorge mir ein paar Zigaretten, gehe zurück in meinen Wohnwürfel, lege Miles Davis auf und trinke so viel Whisky, wie ich kann, bevor sie zu mir kommen.«
Morag nickte. »Klingt nett.«
Ich rauchte die Zigarette bis zum Filter herunter und schnippte sie in den Matsch. Dann wandte ich mich wieder den Rigs zu. Morag folgte mir. Ich ging eine Weile weiter, blieb aber dann erneut stehen.
»Was machst du da?«, fragte ich sie und überlegte, ob sie trotz meines positiven ersten Eindrucks vielleicht doch nur irgendein dummes Rig-Mädchen war.
»Ich folge dir«, sagte sie.
Ich starrte sie eine Zeitlang an, während mir klar war, dass sie nicht mehr als ihr eigenes Spiegelbild in den schwarzen polarisierten Linsen sah, die einmal meine Augen gewesen waren. Aber sie erwiderte standhaft meinen Blick.
»Man wird mich töten. Ich dachte, das hättest du verstanden. Das hier ist kein Actionfilm. Diese Leute versagen nicht, und sie können Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Ich habe den gesamten Regierungsapparat dieses Landes gegen mich.«
»Und was habe ich?«, fragte sie.
Dann verstand ich - Botschafter, was der Vikar gesagt hatte, Hull. Vielleicht war es eine trügerische Hoffnung, aber vermutlich war es die einzige Hoffnung, die sie je gehabt hatte. Falls es nicht schon geschehen war, wäre sie bald alt genug, um eingezogen zu werden, und dann würde sie als Sexdienstleisterin enden, im Dienst der Armee, zuerst für die Offiziere, dann für die Unteroffiziere und dann für die Fußsoldaten. Mit Anfang zwanzig war sie dann aufgebraucht. Wenn sie Glück hatte, gerissen und gemein war und ihre Kolleginnen ausnutzte, würde man sie zum Unteroffizier befördern. Wenn sie anderen antat, was sie sich selber angetan hatte. Wahrscheinlicher war jedoch, dass sie ohne irgendeine Qualifikation entlassen wurde, nicht einmal mit den grundlegenden Überlebenskenntnissen der Infanterie. Wenn sie sich um die Einberufung drücken konnte, würde die Sache ganz ähnlich ablaufen, nur in einer etwas darwinistischeren Umwelt. Mit zu mir kommen, etwas Whisky trinken, Jazz hören und darauf warten, erschossen zu werden, klang vermutlich auch für sie nach einer angenehmen Variante.
»Was ist mit Botschafter?«, fragte sie. Ich hatte den Eindruck,
dass sie sich alle Mühe gab, einen hoffnungsvollen Tonfall aus ihrer Stimme herauszuhalten.
»Schätzchen, das ist ein Luftschloss. Die Leute, mit denen er sprechen müsste, sind dieselben, die ihn und uns töten wollen.«
»Aber wir könnten doch nach Hull gehen.«
»Klar, wir könnten stattdessen in Hull sterben. Aber wenn es sowieso egal ist, würde ich mein Leben lieber in Dundee beenden.«
»Aber wenn wir noch ein bisschen weitermachen, wenn wir noch etwas mehr
Weitere Kostenlose Bücher