Der Veteran: Roman
herausfinden, dann passiert vielleicht irgendwas«, sagte sie mit herzergreifender Ungeduld.
Ich versuchte zu entscheiden, was schlimmer wäre - ihre Hoffnung sofort zunichtemachen oder abwarten, bis sich ihre Hoffnung noch etwas verstärkte und dann zusammenbrach, wenn sie uns erwischten.
Vielleicht würde es gar nicht dazu kommen, dachte ich unwillkürlich, als wir den Marsch zu den Rigs fortsetzten. Wenn das Ende nahte und Morag noch etwas länger gelebt hatte, als das Schicksal ursprünglich vorgesehen hatte, wäre eine Laserpistole im Genick vielleicht die angenehmere Variante.
»Ich werde mit dir ficken«, bot sie mir die einzige Währung an, in der sie glaubte mich bezahlen zu können.
Ich schloss die Augen. »Bitte … sag das nie wieder«, forderte ich sie auf.
»Tut mir leid.«
»Und lass solche Scheißentschuldigungen sein!«, schrie ich wütend, ohne zu wissen, auf wen, aber wahrscheinlich auf mich selbst. Das Angebot, ihre Situation auszunutzen, war mir gar nicht so zuwider, wie es hätte sein sollen. »Lass es einfach sein … okay?«, sagte ich leiser.
Sie sah mich ängstlich und verwirrt an, aber es erleichterte mich, dass sie nicht den Eindruck machte, in Tränen ausbrechen zu wollen. »Hör mal, wir haben kein Geld, keine Pässe,
mit denen wir die Stadt verlassen könnten, keine Reisegenehmigung.«
»Wir haben das hier«, sagte Morag und griff in die Tasche, die der Vikar ihr gegeben hatte, um ein Bündel Papiergeld hervorzuziehen. »Und das.« Sie hielt mir einen kleinen Beutel hin. Ich nahm ihn entgegen und blickte hinein. Er enthielt rohe, unregelmäßig geformte gelbe Nuggets. Wahrscheinlich Asteroidengold, nicht so wertvoll wie das Zeug hier von der Erde, aber deswegen würde niemand die Nase rümpfen. »Und das.« Sie zeigte mir einen Geldchip. Ich steckte ihn in mein Chip-Lesegerät. Es gab ein leises Pfeifen von sich, weil es ein nicht zurückverfolgbarer Chip war, der vermutlich selbst genauso viel wert war wie der Betrag, der darauf gespeichert war. Aber viel wichtiger war, dass er sich selbst in Konzern-Enklaven und Ginzas straffrei benutzen ließ. Insgesamt verfügten wir zwar über kein Vermögen, aber wir hatten genug, um eine Weile über die Runden zu kommen. Ich fragte mich, warum der Vikar das getan hatte und warum er sich als Märtyrer geopfert hatte. Was war so bedeutend an dieser ganzen Angelegenheit?
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich das Licht hinter mir. Ich drehte mich um und sah das Air Car, das von der Stadt über den Fluss schwenkte und mit zwei Scheinwerfern die Umgebung absuchte. Es sah nach einem teuren Mercedes aus. Trotz der zivilen Grundausstattung zweifelte ich keinen Augenblick daran, dass das Fahrzeug bewaffnet war und über exzellente Sensoren verfügte.
»Komm schnell«, sagte ich zu Morag und zerrte sie unter die verrotteten Planken, die früher zu den kommerziellen Docks gehört hatten. Wir steuerten den Marktplatz am Fluss an. Sie hatten bestimmt Thermografie und verschiedene Bewegungssensoren, die sich austricksen ließen, wenn wir bereit waren, uns in den Matsch zu werfen und sehr langsam auf die Rigs zuzukriechen. Aber ich hoffte, den toxischen Substanzen im Tay
zu entgehen, die uns auf längere oder kürzere Sicht ebenfalls töten würden.
»Sind sie das?«, fragte Morag außer Atem.
Ich nickte.
»Warum lässt du dich nicht einfach von ihnen töten?«, fragte sie.
Ich blickte sie verärgert an. »Weil ich nicht in diesem Matsch sterben will.« Ich hatte mehr als genug Matsch in meinem Leben gehabt.
Der Mercedes schien weiter flussabwärts zu suchen. Vielleicht dachten sie, wir wären zu Fuß nach Perth unterwegs oder der Vikar hätte die Voraussicht besessen, uns irgendein Fluchtfahrzeug zur Verfügung zu stellen, möglicherweise sogar ein U-Boot. Im Nachhinein betrachtet wäre das gar keine so schlechte Idee gewesen.
Wir erreichten das Gewühl des Marktplatzes, und ich hoffte, dass wir uns zwischen den anderen Wärmespuren der Stände verloren, die alles Mögliche von geschmackloser Retortenproteinpampe bis zu verdächtigen Schwarzmarktimplantaten verkauften. Die Planen auf den Ständen flatterten, als der Mercedes in geringer Höhe über den Markt hinwegflog.
Ein paarmal sah ich Leute, die auffielen, weil sie zu sauber waren und ihre Kleidung zu nett wirkte, obwohl sie sich um ein zwangloses Outfit bemüht hatten. Gelegentlich schienen sie auf Stimmen von anderswo zu horchen. Jedes Mal war ich mir einigermaßen sicher, dass es mir
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