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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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fühlte sich Morag winzig an. Sie schien fast nichts zu wiegen, als ich sie auf dem Boden absetzte. Das letzte Licht verschwand, als der Vikar etwas sehr Schweres über das Loch schob. Finsternis. Thermografie nützte hier wenig, da es keine Wärmequellen gab. Dann erkannte ich eine Linie aus radioaktiver Farbe, die den Weg nach draußen zeigte. Hier unten war es muffig, kalt und trocken, und die Luft war mit Staub geschwängert, als ich die Reste jahrtausendealter toter Menschen einatmete. Ich hörte, wie Morag neben mir wimmerte.
    »Keine Sorge, ich kann hier sehen«, sagte ich, obwohl das nicht ganz stimmte. Sie zuckte zusammen, als sie meine Stimme in der Dunkelheit hörte, obwohl sie sich an mir festhielt. Ich konnte undeutlich ihre Silhouette in den roten, gelben, grünen und blauen Schattierungen der Thermografie erkennen. Ich verspürte den leicht voyeuristischen Kitzel, im Dunkeln die Schönheit der Wärmesignatur eines Menschen zu betrachten. Ich glaubte, die gedämpfte Stimme des Vikars von oben hören zu können.
    »Komm«, sagte ich und zog Morag mit. Ich folgte der Linie aus radioaktiver Farbe, stieß mit dem Kopf an die Decke und mit den Beinen gegen irgendwelche Dinge, während ich sie hinter mir herzerrte.

    Der Fluchtweg war ein Tunnel aus gegossenem Beton. Der Vikar schien das Loch selber hineingeschnitten zu haben. Ich nahm den unverkennbaren Geruch nach verschmutztem Abwasser wahr, der nur der Fluss Tay am Ende des Tunnels sein konnte. Ich erkannte die Wärmebilder von großen Nagetieren und dahinter schwarzes Wasser und die unregelmäßigen Wärmesignaturen der Rigs.
    »Pass auf die Ratten auf«, sagte ich zu Morag. Für mich waren sie wegen meiner mehreren Haut- und Kleidungsschichten kein so großes Problem, aber für das Mädchen, wegen der Krankheiten, die sie übertrugen. Ich machte genug Lärm, um sie zu verscheuchen, aber sie beachteten mich gar nicht. In ihrer Welt war ich der Eindringling. An Plastik und Metall waren sie nicht interessiert, aber an Fleisch. Irgendwann beschloss ich, Morag zu tragen.
    Am Ende des Tunnel blickte ich nach draußen und suchte nach Rollestons Leuten. Wir befanden uns unter einer der erhöhten Straßen, der mehrspurigen Autobahn, die über den Tay in Richtung Fife zu anderen Teilen des Parks führte. Das Wasser auf beiden Seiten der Brücke war klar. Früher reichten die Rigs bis hierher den Fluss hinauf, aber genauso wie die alte Brücke waren sie schon vor langem von metall- und betonfressenden Mikroben zersetzt worden, um Platz für die gebührenpflichtigen Straßen zu machen.
    Auf dem Tay, östlich der neuen Brücke, sah ich ein Patrouillenboot der Flusspolizei, das zum anderen Ufer und den Lichtern von Newport-on-Tay unterwegs war. Auf dem trockenen Land, unter der Brücke, hatte sich der Abschaum von Dundee versammelt: Junkies, ein vereinzelter traditioneller Säufer, Abfallverbrenner und verschiedene Obdachlose - Menschen wie wir. Alle schienen echt zu sein. Diese Art von resignierter Verzweiflung lässt sich nur schwer vortäuschen.
    »Ich werde dich jetzt absetzen müssen«, sagte ich zu Morag.

    Sie nickte. Es gab ein schmatzendes Geräusch, als ihre Stiefel in den weichen, vergifteten, übelriechenden Schlamm des Tay einsanken.
    »Wohin?«, fragte sie mich. Offenbar hatte sie Angst, aber sie hielt sich tapfer.
    Eine gute Frage. Ich war tot. Rolleston würde mich einfach so lange jagen, bis ich tot war, und er verfügte über genug Ressourcen, um sein Ziel zu erreichen. Ich lehnte mich gegen eine Wand und entzündete meine vorletzte Zigarette, nahm einen tiefen Lungenzug vom wohltuenden, aber vergeudeten Rauch, der durch meine internen Filter von allen Giftstoffen gereinigt wurde. Den Rest meines Lebens würde ich auf der Flucht verbringen. Ein paarmal würde ich knapp dem Tod entrinnen, doch dann würden die Einschläge immer näher kommen, bis der große letzte, wahrscheinlich von der Grauen Lady ausgeführt, mich erwischte. Ich blickte auf das verängstigte Mädchen an meiner Seite. Sie schaute erwartungsvoll zu mir auf.
    »Hast du Verwandte?«, fragte ich.
    Sie nickte.
    »Wo?«
    »In Fintry.«
    Verdammt, dachte ich, die Rigs mussten ihr wie das Paradies vorgekommen sein. Im Vergleich zu Dundee war Fintry das letzte Dreckloch.
    »Haben sie dich hierher verkauft?«
    Wieder nickte sie. »Sie haben eine Menge Crystal für mich bekommen, weil ich hübsch und jung war«, setzte sie erklärend hinzu.
    Ich fragte sie nicht, wie alt sie zu diesem

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