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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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sie halluzinierten religiöse Bilder, wenn sie im Netz waren.
    »Man hätte dich zum Freizeitkorps abgestellt«, sagte ich. Das hieß, dass sie beim Militär dasselbe tun würde wie auf den Rigs, nämlich die Soldaten unterhalten. Mir kam gar nicht der Gedanke, wie grausam es war, so etwas zu sagen. Sie hörte auf, im Beutel zu kramen, und blickte zu mir auf und mir genau in die Linsen. Ich konnte ihre Entschlossenheit deutlich sehen.
    »Nicht, wenn ich mich selbst verunstalte. Nicht mit einem Messer, sondern mit Säure, etwas in der Art.« Dann widmete sie sich wieder dem Inhalt des Beutels.
    Ich war mir nicht sicher, was ich als Nächstes sagen sollte. »Bist du gut?«, fragte ich schließlich und zündete mir doch eine Zigarette an.
    »Als Hure? Ja, hervorragend. Bist du gut in dem, was du machst?«
    »Signalkorps, Hacking«, sagte ich leicht gereizt.
    »Ich habe mir einmal Zugang zu MacFarlanes Konten verschafft und ihn etwas Geld spenden lassen.«
    »Das ist ziemlich gut für einen Oberflächenhack ohne Implantate.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Meine Schwester hat mir gezeigt, wie es geht. Sie war beim Signalkorps.«
    »Du hast eine Schwester?«
    »Hatte. Über irgendeinem Planeten da draußen wurde ihr das Gehirn geröstet. Weiß gar nicht, wo genau. Sie fanden es nicht wichtig genug, es uns zu sagen. Weltraumbestattung. Wäre sie hier gewesen, hätte meine Mutter mich nie verkauft.«

    »Hat MacFarlane jemals davon erfahren?«, fragte ich.
    Sie lächelte still und zuckte mit den Schultern. »Natürlich. Er hat einen Hacker angeheuert und die anderen eingeschüchtert, damit sie mich verpetzen. Er hatte diesen Kerl, irgendeinen aufgemotzten Kung-Fu-Typen.«
    Ich nickte und dachte an den modebewussten Leibwächter, den ich im Forbidden Pleasure zu Tode geprügelt hatte.
    »Er hatte auch noch ein paar andere eingebaute Fähigkeiten, zum Beispiel konnte er Leuten wehtun, ohne Spuren zu hinterlassen, damit man weiterarbeiten konnte. Ich musste einige Stunden mit ihm verbringen.«
    Darüber dachte ich eine Weile nach. »Wahrscheinlich spielt es jetzt keine große Rolle mehr, aber dieser Kerl ist tot.«
    »Ja, das habe ich mitgekriegt«, sagte sie spöttisch. »Es war nicht zu übersehen, als das Schiff in die Luft ging.«
    »Nein, ich meine, ich habe ihn zu Tode geprügelt.«
    Sie schwieg eine Zeitlang. »Gut«, sagte sie dann.
    Dann schwiegen wir eine Weile gemeinsam. Ich überlegte verzweifelt, was ich sagen konnte, ohne sie an irgendetwas Schreckliches zu erinnern.
    »Warum rauchst du?«, fragte sie unvermittelt. »Ich meine, du hast doch Lungenfilter und so was, oder?«
    Ich nickte. »Ich mag gelbe Finger, braune Zähne und den Gestank.«
    »Oh.«
    »Unsere Tarnung nützt nicht sehr viel, wenn Sie beide ständig quatschen!«, zischte die russische Kapitänin des U-Boots durch die Tür zur Brücke. »Und ich habe Ihnen gesagt, dass Sie nicht rauchen sollen!«
    Ich drückte die Zigarette aus. Danach sagten wir beide eine ganze Weile gar nichts. In gewisser Weise war ich dafür sogar dankbar.

    Ich dachte darüber nach, was Morag gesagt hatte und wie sie es gesagt hatte. Die Menschheit konnte zu den Sternen reisen, und diese junge Frau wollte sich selbst verstümmeln, damit sie keinen Militärdienst leisten musste. Das war nicht richtig. Mir war schon immer klar gewesen, dass einiges schieflief, aber vor allem machte es mir bewusst, dass es eine andere Möglichkeit geben musste. Nach sechzig Jahren Krieg brauchten wir die Hoffnung, dass der Krieg bald aufhörte. Wenn das, was Botschafter gesagt hatte, irgendeine Art von Gehirnwäsche war, wäre das besonders grausam.
    Pflicht war eine Sache, die man uns in der Grundausbildung eingedrillt hatte, in meinem Fall im 5. Para-Bataillon, die Pflicht gegenüber unseren Anführern, gegenüber unseren Kameraden und als Beschützer der gesamten Menschheit. Als ich zum Regiment kam, wussten wir alle, dass das ein schlechter Witz war. Vielleicht auch nicht, aber wir waren in diesem Punkt ziemlich zynisch geworden. Wenn andererseits auch nur die leiseste Chance bestand, dass wir irgendetwas tun konnten, das zu einem Ende des Krieges führte, das den Menschen die Möglichkeit gab, sich als Spezies zu erholen, damit wir nicht unsere Kinder fraßen, dann war das unsere verdammte Pflicht.
    Vor allem ein bestimmter Gedanke ließ mich einfach nicht los: Was wäre, wenn das Kind von Vikars Gott auf den Rigs geboren wurde? Wenn der Mann oder die Frau, der oder die dem Universum

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