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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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hatte den Dachgarten erreicht. Um mich herum stand alles in Flammen. Vorsichtig suchte ich mir einen Weg über die Dächer. Die Gärten selbst brannten nicht so schlimm. Links von mir gab es eine Explosion, als sich eine Destille selbst in die Luft katapultierte. Dann war ich an der Marlborough Avenue. Ich hatte das Gefühl, jeden Augenblick umzukippen. Meine Verletzungen schwächten mich und bereiteten mir Übelkeit. Mit der linken Hand griff ich nach dem Geländer des Laufstegs und zog sie ganz schnell wieder zurück. Das Metall war glühend heiß.
    An der Marlborough sah ich die Trümmer eines anderen Patrouillenboots. Immer wieder beobachtete ich, wie ein riesiger gepanzerter Reptilienrücken durch die Wasseroberfläche brach.
    »Kannst du mir eure Dinosaurier-Haustiere vom Leib halten?«, subvokalisierte ich.
    »Du hast nichts zu befürchten«, antwortete der Heide. »Sie greifen nur an, wenn wir ihnen den ausdrücklichen Befehl dazu geben.«
    »Gut«, sagte ich schleppend, und dann ließ ich mich fallen, die vier Stockwerke hinunter ins Wasser. Es war eine unschöne Landung, und nachdem ich nun schon so viel Zeit in der üblen Brühe des Humber verbracht hatte, hätte ich mich genauso gut in ein Amphibium verwandeln können. Mir wurde die Luft aus den Lungen getrieben, und neue rote Warnzeichen tauchten in meinem Display auf, um mir zu sagen, dass ich weitere Komponenten beschädigt hatte - aus Metall, aus Kunststoff und aus dem Gewebe, mit dem ich auf die Welt gekommen war.

    Ich rappelte mich auf, spuckte den Dreck aus, den ich geschluckt hatte, und watete dann die Marlborough Avenue hinunter durch das hüfthohe Wasser. Immer wieder stieß ich gegen Leichen, immer wieder wurde ich beschossen und einmal getroffen. Ich musste meinen Angreifern zubrüllen, dass ich auf ihrer Seite stand. Das Schlimmste waren die Wachalligatoren, die hier und dort auftauchten, das Wissen, dass sie neben mir im Wasser lauerten, die meiste Zeit unsichtbar.
     
    Ich war auf den kleinen Steg am Ende der Marlborough Avenue geklettert, unterstützt von zwei sehr zornigen Bewohnern der Avenues. Der Heide stand in dem hotelähnlichen Gebäude. Morag war bei ihm, wirkte aber etwas unsicher auf den Beinen, obwohl sie nicht so verängstigt war, wie ich gedacht hatte. Traurigerweise gewöhnte sie sich allmählich an solche Dinge. Ich bemerkte, dass sie eine fünfzig Jahre alte Sterling-Maschinenpistole in den Armen hielt.
    Ein großer Mann und eine Frau in zerlumpter und nasser Arbeitskleidung, ihrem Verhalten nach Veteranen der Infanterie, hielten einen Fortunate Son in Schach, der vor ihnen kniete, die Hände im Nacken verschränkt. Er war jung und unter all dem Dreck wahrscheinlich auf unscheinbare Weise attraktiv, wie es die meisten Sprösslinge der leidlich Wohlhabenden waren. Er hatte Angst, hatte sich aber gut im Griff.
    Ich erhob mich auf wackligen Beinen. Morag öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch der Heide griff nach ihrem Arm und brachte sie damit sofort wieder zum Schweigen. Kluger Junge , dachte ich. Pass auf, dass sie vor dem Fortunate Son nichts Falsches sagt . Ich wankte auf den jungen Offizier zu und setzte meine finsterste Miene auf. Keine Ahnung, wie ich wirklich aussah, wahrscheinlich einfach nur dreckig. Ich ließ mich vor ihm auf die Knie fallen.
    »Hör mal, Junge, du weißt, dass jeder irgendwann klein beigibt.
Also erspare dir die Schmerzen und sag mir, was ihr hier macht.«
    Der Junge blickte auf und versuchte trotzig zu grinsen, um seine Angst zu kaschieren. »Du hast nicht genug Zeit, um meinen Willen zu brechen«, sagte er.
    Darüber dachte ich eine Weile nach. Ich hatte Kopfschmerzen und den Eindruck, dass ich nicht mehr besonders klar denken konnte. »Wahrscheinlich hast du recht«, sagte ich, beugte mich zurück, zog die Mastodon und richtete den Lauf genau auf die Stirn des jungen Lieutenants.
    Er tat das einzig Vernünftige, was ihm in dieser Situation möglich war: Er machte sich in die Hose. Wirklich traurig. Wahrscheinlich war er die Sache vorher in Gedanken durchgegangen und hatte sich vorgenommen, mit stoischer Gelassenheit zu reagieren.
    »Glaub mir, Junge, es lohnt sich nicht, für so etwas zu sterben.« Dabei spannte ich den Hahn, was bei diesem Revolver hauptsächlich der Einschüchterung diente.
    »Okay!«, rief der Junge und fing an zu heulen.
    Ich beugte mich vor, wobei ich mich bemühte, der Pisse nicht zu nahe zu kommen. »Mach dir keine Sorgen. Niemand außer uns wird davon erfahren, und

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