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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Höflichkeit übrig gelassen hatte. Der Dienstwagen war völlig verqualmt, Heide war schlecht im Warten. Raupach rauchte aus Sympathie mit. Zum Glück waren seine Gratispackungen jetzt aufgebraucht.
    »Woytas hat seine V-Leute auf Gunter Aalund angesetzt. Allem Anschein nach ist er untergetaucht.«
    »Oder tot. Der Mörder kann Aalund schon längst beseitigt haben.«
    »Eingeäschert«, ergänzte Heide.
    »Wann wurde er zuletzt gesehen?«
    »Tiedke und Valerie Braq äußern sich beide unklar, vor Wochen, Monaten, so in der Art. Silke Scholl sagte, dass sie Aalund Mitte November auf einer Künstlerparty in der Südstadt getroffen hat. Woytas und seine Gruppe sind schon an den Leuten dran.« Sie kurbelte die Scheibe herunter und wedelte Rauch ins Freie. »Unser Erster KHK hat Kreide gefressen. Als ich ihm den Tipp von Lübbens Freundin gab, bedankte er sich bei mir wie beim Nikolaus. Kein Wort mehr von Chefsache. «
    Es wurde zu kalt. Sie kurbelte die Scheibe wieder hoch.
    »Woytas wächst in seine Aufgabe hinein«, erwiderte Raupach. »Wenn er mit allen Abteilungen kooperieren würde, wäre er der richtige Mann zur rechten Zeit.«
    »Ich habe seinen Auftritt auf der Pressekonferenz nicht vergessen.«
    »Das hat mit seiner Berufung zum Ersten KHK zu tun. Mehr Machtfülle, mehr Kontrollzwang, eine nachvollziehbare Reaktion.« Die Auseinandersetzung auf der Weihnachtsfeier unterschlug er. Sie fiel unter Imponiergehabe und Geltungssucht. Beides würde sich mit der Zeit geben, Woytas war nicht Vorderbrügge. Der würde seine Großmutter verkaufen für einen Artikel mit Bild auf Seite eins.
    Ein Passant ging an dem parkenden Auto vorbei und bemühte sich, auf dem glatten Bürgersteig das Gleichgewicht zu halten. Die Kapuze seiner Winterjacke war so weit zugeschnürt, dass nur noch Mund und Nase herausschauten.
    »Hast du den gesehen?«, fragte Heide. »Wenn Aalund auch so herumläuft, findet Woytas ihn nie.«
    »Er könnte auch verschwunden sein, um sich vor dem Mörder zu verstecken. Vielleicht traut er der Polizei nicht. Oder er hat sich strafbar gemacht.«
    »Etwas, das mit den Morden zusammenhängt?«
    »Es gibt viele Gründe, die Polizei zu meiden.«
    Schweigend rauchten sie zu Ende. Heide legte eine ihrer geliebten Barockopern in den CD-Player ein. Seit sie mit Paul zusammen war, kam sie immer seltener dazu, dieser Neigung zu frönen. Paul hielt nichts von solcher Musik. Raupach machte sich auch nichts daraus, aber er ertrug sie.
    Heide übersprang die Ouvertüre. Die Streicher legten sich ins Zeug, ein Cembalo mischte sich ein, und Giulio Cesare hob zu seiner ersten Arie an. Die hohe Stimme des Sängers klang wie ein hysterischer Cockerspaniel, den man aus Versehen im Auto eingesperrt hatte. Heide konnte ihm stundenlang zuhören. Raupach dachte an den Hund seiner Schwester Sigrid.
    »Da ist er.«
    »Wurde auch Zeit«, sagte Heide und schaltete die Musik aus.
    Sie passten den Mann ab, als er sich anschickte, die Tür des eingeschossigen, grau verklinkerten Häuschens in Köln-Niehl aufzuschließen. Er tat sich schwer mit dem Kinderwagen. Heide und Raupach stellten sich vor und halfen ihm, das sperrige Gefährt nach drinnen zu bugsieren. Erst dann hatte Daniel Mertens Gelegenheit, sich über die Anwesenheit der beiden Kommissare zu wundern.
    Er war längst kein Lehramtsstudent mehr, sondern allein erziehender Vater. Mertens führte eine kleine Spielwarenhandlung. Er hatte den Laden und das Häuschen in der Katzengasse geerbt wie auch den Hang, sich mit verpassten Lebenschancen abzufinden. Die Mutter seiner zweijährigen Tochter war dem Deutschen Entwicklungsdienst beigetreten und weilte seit der Trennung von Mertens in Malawi.
    »Das ist in Afrika«, sagte er und schloss damit seine Lebensgeschichte. Mertens wirkte abgekämpft, aber nicht unzufrieden. Er hatte den Vormittag in einer Krabbelgruppe verbracht. Das Kind schlief dick eingepackt in seinem Wagen, der neben der Garderobe stand und vom Wohnzimmertisch zu sehen war. Heide und Raupach saßen in altmodischen Sesseln. Die Polsterung war zu weich, um bequem zu sein.
    »Vier Jahre sind eine lange Zeit«, begann Raupach, nachdem sich Mertens warmgeredet hatte. »Versuchen sie trotzdem, sich zu erinnern.«
    Mertens las noch einmal den markanten Satz. Er hatte ihn damals so exakt zu Protokoll geben können, weil die Glocke Stoff seines abgebrochenen Studiums gewesen war. Er hatte das Gedicht in einer Klausur interpretieren müssen – und die Klausur nicht bestanden,

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