Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
abgefallen wie ein regennasser Mantel. Marta hatte diese Haltung oft eingenommen, wenn ihr alle anderen Menschen wieder einmal zu viel geworden waren und sie nur Johan an sich spüren wollte.
Er hatte Valerie eine Rückenmassage vorgeschlagen. Ohne zu zögern hatte sie die Couch aufgeklappt, so dass eine ebene Fläche entstand. Während Johan im Bad ein Handtuch geholt und in der Küche nach einem geeigneten Öl gesucht hatte, war sie aus ihren Kleidern geschlüpft und hatte ihn flach auf dem Bauch liegend erwartet. Mehr Vertrauen konnte sie ihm nicht entgegenbringen.
Seine Hände kamen wieder in Übung, die Griffe gingen fließend ineinander über. Er setzte sein Gewicht ein und schob aus der Schulter, damit er nicht ermüdete. Auf keinen Fall durfte er loslassen und die Massage unterbrechen, das würde Valerie Angst einjagen. Er verstand es, sich wortlos verständlich zu machen. An Marta hatte er jede Faser gekannt.
Allmählich wurde Valeries Atmung gleichmäßiger, die Muskeln begannen nachzugeben. Sie nahm ihre Erzählung wieder auf, die sie zur Vorbereitung der Massage unterbrochen hatte. Dass sie am Tod eines Menschen schuld sei, und wie es dazu gekommen war.
Es war ein Spiel aus Druck und Gegendruck, mal locker, mal kräftiger. Wenn sich eine Verspannung löste, arbeitete Johan nach und knetete so lange, bis die jeweilige Partie vollkommen weich und geschmeidig war.
Er walkte den Rückenmuskel über ihrem Beckenknochen durch. Sie stöhnte wohlig auf, er brauchte nicht nachzufragen, ob es ihr behagte. Was sie zu ihm sagte, nahm er kaum wahr. Es war nicht wichtig, welche Worte sie benutzte. Ihr Körper übermittelte ihm alles, was er noch nicht über sie wusste. Kontraktion, Relaxation. Diese Reflexe waren unmissverständlich und frei von Lügen. Johan brauchte nicht nachzudenken. Er spürte genau, wo er ansetzen musste. Schmerz und Lust lagen in seinen Händen.
Heide hatte ihr Geschenk immer noch nicht ausgepackt. Sie hatte es noch nicht einmal angerührt.
»Ich erinnere mich!«, frohlockte Raupach in sein Handy.
»Was ist denn los?«, fragte sie verdattert.
» Glücklich ist die Form gefüllt. Das hat Johan Land in der Buchhandlung zu mir gesagt, als ich das Buch gekauft habe.«
»Na und?«
»Das ist aus der Glocke! «
»Der Mann ist Buchhändler. Er kennt –«
»Das war vor vier Tagen«, sagte Raupach. »Zu diesem Zeitpunkt war noch gar nicht von den Briefen und von Schiller die Rede. Ich wusste noch nicht einmal, wer er ist.«
Heide rief sofort Höttges an und wies ihn an, das Buch aus ihrer Wohnung zu holen. Sie beschrieb ihm genau, wo es lag, und drohte mit dem Schlimmsten, was ihr einfiel, wenn er keine Handschuhe benutzte. Als Höttges schnaufend in ihrem Büro eintraf, war Effie Bongartz von der Spurensicherung bereits zur Stelle. Der Abgleich mit dem Fingerabdruck auf der SOS-Kapsel, die der Brandstifter im Apollo zurückgelassen hatte, nahm nur ein paar Minuten in Anspruch. Das Mädchen arbeitete schnell und konzentriert. Sie war auf eine Bemerkung wegen des Kalenderfotos gefasst, aber keiner sagte etwas. Das enttäuschte sie, bis sie Höttges’ schafsköpfigen Blick bemerkte.
Photini kam hinzu. Sie trug eine dicke Aktenmappe unter dem Arm.
»Positiv«, sagte Effie Bongartz und deutete auf die Übereinstimmungen, die der Bildschirm anzeigte. Der Mann aus der Buchhandlung, der Raupach den Krimiband verkauft hatte, war mit dem Brandstifter identisch.
Valeries Nackenmuskulatur war steinhart. Johan musste in den Muskel hineingehen, seine Finger wie einen Bohrer einsetzen. Sie schrie auf. Er hielt inne, ließ die Hände aber auf ihrer Haut liegen.
»Mach weiter«, sagte sie und vergrub ihr Gesicht wieder in der Couch.
Er setzte die Behandlung mit gleicher Intensität fort und steigerte sie langsam.
Die vielen Stunden im Callcenter. Ihr monatelanges Bestreben, den Mordverdacht zu entkräften. Die wenigen Male, als sie Jef widersprochen hatte. Das eine Mal, als sie Sheila vor ihm in Schutz genommen hatte, mit Erfolg, aber zu einem hohen Preis. Ihr Drang durchzuhalten und weiterzumachen, ein anderes Leben zu gewinnen. Valerie deutete dies alles nur an, in Satzfetzen, ohne Namen zu nennen.
Johan setzte sich auf ihre Beine, um noch mehr Kraft auf ihren Rücken ausüben zu können. Jeder Griff tat ihr jetzt weh. Manchmal rang sie nach Luft und stieß leise Klagelaute aus. Dennoch würde sie um nichts in der Welt die Augen öffnen. Es war nicht nur ihr eigener Schmerz, mit dem er da
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