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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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effektiv. Er ging Risiken ein, wenn es erforderlich war, und schreckte auch vor unorthodoxen Methoden nicht zurück. Den Kollegen gegenüber verstand er es, seine Ironie mit charmanter Offenheit wettzumachen. Vor allem aber konzentrierte er sich aufs Wesentliche. Raupach hatte der Mordkommission keinen besseren Leiter wünschen können. Woytas stand sogar kurz davor, zum Ersten Kriminalhauptkommissar aufzusteigen.
    Heide gewann ihre Fassung zurück. »Seit wann schleichen Sie sich von hinten an?«
    Woytas betrachtete die Stiefel seiner Stellvertreterin. »Was Ihnen wie Schleichen vorkommt, geht lediglich auf das Fehlen unschöner Fortbewegungsgeräusche zurück.« Er hielt den Brief hoch. »Warum ist das nicht bei der Gefahrenabwehr?«
    »Weil es hier gelandet ist. Es hat mir den Morgen versüßt. Aber wenn Sie möchten, leite ich den Brief weiter. Raupach und ich haben eine Lagebesprechung abgehalten.«
    »So?«
    »Wir sind der Meinung, dass er nicht ernst zu nehmen ist.« Sie nickte Raupach zu. »Allerdings sollte man ein Auge auf die Sache haben«, ergänzte sie. Raupach hatte sie zwar überzeugt, aber er konnte sich irren. Er war nicht mehr so dicht am Geschehen wie sie.
    Woytas gab Heide die Klarsichthülle zurück. »Das beruhigt mich. Ich verlasse mich auf Ihr Urteil.« Bewusst bezog er Raupach ein. »Ihrer beider Urteil. Jeder Spinner, den wir zu den Akten legen können, spart Zeit.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich mir eine Kopie mache?«, fragte Raupach.
    »Mal sehen, ob die neue Kiste mit mir klarkommt.« Heide stand auf und öffnete den Deckel des Geräts, das unter der Pinnwand stand. Es war erst letzte Woche aufgestellt worden.
    »Ich fürchte, Sie werden mich für einen Spießer halten«, fuhr Woytas fort. Der Kopierer sprang an. Aus dem Schlitz unter der Deckelklappe blitzte ein Lichtstrahl hervor, und an der Seite kam ein Blatt heraus. »Aber ich bitte Sie, den Dienstweg einzuhalten. Ihn wiederherzustellen, um genau zu sein. Heide, leiten Sie den Brief an die Gefahrenabwehr weiter. Und geben Sie den Kollegen alles, was Sie darüber haben. Wie ich Sie kenne, ist das trotz der frühen Stunde eine ganze Menge.«
    Sie schaute ihn ungläubig an. »Spießer ist das falsche Wort«, sagte sie schließlich und wollte noch etwas hinzufügen. Dann winkte sie ab.
    Raupach schmunzelte über Woytas’ Ausdruckweise. Er hätte es anders formuliert. Aber unterm Strich wäre er genauso vorgegangen.

    Der Inhalt des Plastiksacks roch selbst nach einem Jahr noch entsetzlich. Am schlimmsten war das Kissen. Der ganze Bezug war mit Erbrochenem besudelt gewesen. Jefs Mageninhalt war durch den Stoff in die Daunenfüllung gedrungen.
    Valerie hatte das Kissen auf sein Gesicht gepresst und sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegengestemmt. Das war ihr nur gelungen, weil sie auf seiner Brust gesessen hatte. Nach einem ersten, furchtbaren Aufbäumen hatte er sich verschluckt. Das hatte die Sache beschleunigt, obwohl sie dabei fast heruntergefallen wäre und die Kontrolle über ihre Blase verloren hätte. Danach hatte er sich nicht mehr gewehrt.
    Da waren noch andere, mehr oder weniger vertraute Gegenstände. Sein Gürtel. Valerie erinnerte sich gut an die breite eckige Schnalle. Wie sie durch die Luft pfiff, ein Geräusch, bei dem sich ihr Rücken versteifte.
    Dann die abgewetzte Jeans. Jef hatte sich selten die Mühe gemacht, sie auszuziehen. Sie besaß Knöpfe anstelle eines Reißverschlusses. Das war umständlich, aber sie hatte gelernt, damit klarzukommen, wenn er dazu nicht mehr in der Lage gewesen war.
    Seine Schnürstiefel mit verstärkter Kappe. Original aus Kanada. Sie hatten Valerie an den Rand des Todes gebracht. Als sie wegen eines Milzrisses ins Krankenhaus musste, hatte Jef die klobigen Dinger eine Weile nicht mehr getragen. Nachdem sie entlassen worden war, hatte sie das Leder mit einem Pflegemittel behandelt und versucht, die Kratzer auf der Kappe mit einer Wurzelbürste zu entfernen. Jef war mit ihren Bemühungen zufrieden gewesen. Sie sahen immer noch aus wie neu.
    Valerie stopfte den Sack in den nächsten Müllcontainer. Jetzt hatte sie es hinter sich. Sie nahm eine weitere Schmerztablette gegen den Kater und ging zur nächsten U-Bahn-Station. Die kalte Luft tat ihr gut. Ihre Lungen weiteten sich. Sie fühlten sich an, als könne sie den ganzen Weg zum Callcenter im Agnesviertel rennen. Rasch ging sie die Treppe hinunter. Plötzlich wurde ihr schwindelig. Sie hielt sich an dem Geländer fest und zwang sich,

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