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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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sitzen und nachdenken? Ist das verboten?«
    »Was sagt deine Mutter dazu?«
    »Die weiß gar nichts. Überhaupt nichts.«
    Berta Goodens horchte auf. Sie bemerkte Sheila erst jetzt. »Warum trägst du Ohrwärmer, mein Kind? Verstehst du damit überhaupt etwas?«
    Sheila nahm die Ohrwärmer ab. »Jedes Wort. Ich bin nicht taub. Und ich bin nicht Ihr Kind.«
    Luzius hob den Kopf. Sheilas Augen schwammen in einem See schwarzer Schminke.
    »Na-na!«, entrüstete sich Berta. »Nicht so vorlaut!«
    »Hört mal, ihr beiden. Wenn ihr mich nervt, gehe ich.«
    Die beiden Kohlmeisen wurden zutraulich. Sie hatten Gesellschaft bekommen und verlangten nach mehr. Luzius warf ihnen ein paar Brezeln zu.
    »Der Park ist groß genug«, sagte seine Mutter.
    »Okay, das reicht.« Sheila stand auf.
    »Geh nicht!«, flehte Luzius und fuhr seine Mutter an: »Sei mal für einen Augenblick still! Deine Meinung ist nicht gefragt.« Er löste die Bremse des Rollstuhls und machte Anstalten, Berta ein Stück weiter weg zu schieben.
    »Was soll das, Ludwig? Willst du mit dem Mädchen allein sein? Sag das doch gleich. Ich störe euch nicht. Meine Lippen sind versiegelt.« Sie zog mit dem Finger eine Linie über ihren Mund. Wenn es einen Spezialklebstoff für solche Zwecke gab, würde Luzius sofort einen Eimer kaufen.
    »Ludwig?«, fragte Sheila verwundert.
    Er seufzte und schloss die Augen.
    »Wie heißt du, Liebes?«, fragte Berta.
    Sheila erwiderte nichts. Sie holte eine Packung Zigaretten aus ihrer Jeansjacke und zündete sich eine an.
    »So stell uns doch vor«, nörgelte seine Mutter. »Mit den Umgangsformen hat er sich schon immer schwer getan«, fügte sie zu Sheila gewandt hinzu.
    Luzius räusperte sich und drehte den Rollstuhl in Sheilas Richtung. »Also, das ist Mutt…, ach, Blödsinn, Berta Goodens.« Wie peinlich, dachte er und machte sich an der Decke zu schaffen. Sie war schon wieder verrutscht.
    »Sheila Braq.« Sie ergriff die Hand der alten Frau. Sie fühlte sich an wie Butterbrotpapier.
    Berta richtete sich in ihrem Rollstuhl auf. Sie erwiderte den Händedruck. »Nur Berta«, sagte sie. Täuschte sich Luzius, oder grub sich da ein Lächeln in die Runzeln ihres Gesichts?
    Sheilas Handflächen waren klamm und feucht, Bertas warm und trocken.
    »Ihr Sohn heißt Luzius, nicht Ludwig«, sagte das Mädchen und zog an ihrer Zigarette.
    Berta lächelte unverdrossen und tätschelte Luzius’ Arm. »Sie haben ein hübsches Gesicht.«
    Sheila schaute sie entgeistert an. Sie setzte sich wieder auf die Parkbank und befühlte den Pickel, den sie nach dem Aufstehen an ihrem Kinn bemerkt hatte. Sie schlugen sie nie ins Gesicht. Ein blaues Auge würde Verdacht erregen. Sie schlugen immer nur dahin, wo es später nicht zu sehen war. Deswegen trug Sheila auch im Winter möglichst knappe Sachen. Je mehr Haut sie entblößte, desto weniger Angriffsfläche bot sie.
    Luzius wollte seiner Mutter zustimmen, besann sich aber eines Besseren. Er riskierte einen Seitenblick zu Sheila. Das Mädchen war völlig durcheinander.
    Sie schwiegen eine Weile. Die Sekunden verstrichen. Luzius studierte die Schilder an den winterfest gemachten Päonienstrünken. Auf die Schule würde er nicht mehr zu sprechen kommen, das nahm er sich vor. Wie konnte er Sheila zum Reden bringen, ohne sie zu bedrängen? Es gab eine Menge zu klären.
    Mutters rührseliger Gesichtsausdruck war wie eingemeißelt. Luzius fragte sich, was in ihrem verwüsteten Hirn vor sich ging. Vermutete Berta, dass er etwas mit Sheila hatte?
    Die Meisen wurden aufdringlich. Er holte aus und wollte den Rest des Blätterteiggebäcks ins Gebüsch werfen. Sheila fiel ihm in den Arm. »Lass sie doch!«
    Verdutzt gab er ihr die Packung.
    Sie warf ihre Zigarettenkippe weg, zerkrümelte das Gebäck und streute es in weitem Bogen um sich herum. Es dauerte nicht lange, und sie waren umringt von aufgeregtem Gezwitscher. Ein paar größere Brocken behielt Sheila zurück, um die Meisen einzeln anzulocken. Die Vögel hatten alle Scheu abgelegt und fraßen ihr aus der Hand. »Kommt, ihr Süßen. Habt keine Angst. Ich tue euch nichts.«
    Eine Kohlmeise sprang auf ihre Fingerspitzen. Sheila rührte sich nicht. Die Meise wagte sich weiter vor. In der Kuhle ihrer Handfläche befand sich ein großes Stück Blätterteig. Die Krallen des Vogels gruben sich in ihre Haut. Er pickte nach dem Gebäck und verfehlte es. Ein Tropfen Blut erschien auf Sheilas Zeigefinger. Sie zog ihre Hand nicht zurück.
    Der Vogel zögerte. Dann

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