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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Sie mussten auf der Hut sein. »Darin bin ich sehr gut«, sagte er.
    »Das glaube ich«, erwiderte sie, ging durch das schmiedeeiserne Tor und verschwand Richtung U-Bahn-Station.
    »Gut« reichte nicht, dachte er und schaute ihr durchs Gitter hinterher. Von nun an musste er besser werden. Die Gewalt kehrte zurück.
    Als Luzius wieder bei seiner Mutter war, nannte Berta ihn wieder Ludwig. Sie kam nicht mehr auf das Mädchen zu sprechen. Vermutlich hatte sie Sheila sofort vergessen, als sie aus ihrem Gesichtskreis verschwunden war. Er schob den Rollstuhl weiter. Die Meisen folgten ihnen. Er scheuchte sie weg. Es war ein Tag, an dem die Wolken ständig ihre Form veränderten. Sie türmten sich bedrohlich auf – und zogen mit hoher Geschwindigkeit weiter. Kein Tropfen fiel.
    Sheila machte sich auf den Weg zurück in die Schule. Ihr Körper kribbelte auf eine Art, die sie nicht kannte. Und die sie niemals für möglich gehalten hätte. Sie spannte jeden Muskel an, wollte das Gefühl in die Länge ziehen. Undeutlich spürte sie, dass sie Arme, Schultern und Lippen besaß. Für diese Teile ihres Körpers war ihr die Wahrnehmung verloren gegangen. Durch seine Berührung hatte Luzius sie zum Leben erweckt. Er würde Sheila an einen Ort bringen, von dem sie bislang nur eine vage Vorstellung hatte. An einen Ort, an dem vieles wahr, wichtig und richtig wurde und das Kribbeln nicht abebbte wie jetzt, als sie die Treppe zur Haltestelle Zoo/Flora hinunterstieg.
    In der Bahn war nicht viel los. Sie setzte sich direkt hinter die Fahrerkabine und sah aus Gewohnheit in den Rückspiegel, um herauszufinden, wer am Gashebel saß. Chris fuhr nicht die 17, aber es war besser, sich zu vergewissern.
    In den letzten beiden Stunden hatte Sheila Musik. Das lag ihr, trotz allem.

    Raupach betrachtete Heides Adamsapfel. Er hob und senkte sich bei jedem Schluck. Für eine Frau war er ziemlich stark ausgebildet. Heide gab vor, diesen Teil ihrer Anatomie zu ignorieren. Schließlich besäße jeder Mensch so einen Knorpel. Nur in der kalten Jahreszeit verhüllte sie ihn mit Seidentüchern, die sie von einer Reise nach Indien mitgebracht hatte. Wenn sie trank und dabei den Kopf in den Nacken legte, trat er so deutlich wie ein Pingpongball hervor.
    Das Kölsch rann durch ihre Kehle, als würde es von einem verborgenen Mechanismus im Magen angesaugt. Heide war ein ernährungsphysiologisches Wunder. Sie trank schon mittags ein Bier, stopfte Berliner, Streuselkuchen, Mohnstollen und was an Süßem sonst noch zu kriegen war in sich hinein und blieb trotzdem so dünn wie eine Reisstrohmatte. Das konnte an einer Fehlfunktion der Schilddrüse liegen, hatte Raupach gehört. Doch bei Heide lag es daran, dass sie außer Bier und Gebäck nichts anderes zu sich nahm, da war sie eisern. Und wenn sie kein Bier trank, soff sie eimerweise Wasser, vielleicht war das ihr Geheimnis.
    Sie setzte das leere Glas ab, wischte sich den Schaum von den Lippen und stieß einen Seufzer aus, verrucht wie die Sünde.
    »Geht’s wieder?«, fragte er und schob das Tablett beiseite. Ein Königsberger Klops war übrig geblieben und rutschte an den Tellerrand. Er gab Zucker in seinen Kaffee und rührte um. Die Kantine war noch relativ leer. Ein paar Tische weiter saß eine Gruppe von Polizisten in Lederkombis. Die Motorradstreifen stellten ihre Maschinen immer direkt vor dem Eingang ab. Wenn man durch die Fensterfront der Kantine nach draußen sah, waren die schweren BMWs der einzige erfreuliche Anblick weit und breit. Das Präsidium stand mitten in einem Industriegelände, das erst eines werden wollte. Ringsumher ragten Betonskelette in den Himmel.
    »Du ruinierst dir die Eingeweide, Raupach. Verzichte auf das Zeug und trink was Gesundes, sonst übersäuerst du. Außerdem zerstört weißer Zucker die Gehirnzellen.«
    »Das sagt die Richtige! Dann bringe ich dir zum Frühstück mal eine Karotte mit. Vielleicht können wir das Schlimmste noch verhindern.«
    »Bloß nicht. Wenn ich genug Teilchen gegessen habe, lasse ich mir Berufsunfähigkeit bescheinigen und gehe in Frührente.«
    »Im Dienst verdummt. Das nehmen sie dir bestimmt ab«, sagte Raupach und lehnte sich lachend zurück.
    »Schön, dass du so leicht in Heiterkeit zu versetzen bist.« Heide warf den Motorradstreifen einen Blick zu. Dann betrachtete sie eine Weile ihr Bierglas. »Mir liegt dieser Drohbrief im Magen.«
    »Das Schiller-Gedicht?«
    »Das Fernsehen und die Presse haben angerufen, unter anderem Küchler vom Express,

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