Der Vierte Tag
schnell entdeckt?
"Keine Angst. Die Klimaanlage habe ich abgeschaltet. Zieht eventuell zu viel Saft", beruhigt mich Fröhlich.
Für den Moment beide ganz zufrieden mit unseren Leistungen, sitzen wir auf dem Fußboden und schweigen uns an. Ich habe meine Arbeit mit den Daten ganz ordentlich gemacht, finde ich, und warte auf die nächsten. Fröhlich ist stolz, dass er unser Elektro-Problem gelöst hat. Eigentlich der richtige Zeitpunkt für ein Bier unter Männern. Aber wir haben keines.
"Sie haben doch Medizin studiert, nicht wahr?"
Ich nicke.
"Ich meine, Sie kennen sich nicht nur mit den Innereien aus, mit Leber, Herz, oder Nieren. Doch auch mit anderen Sachen, oder?"
Langsam ahne ich, was auf mich zukommt. In der Regel beginnt die jetzt folgende Geschichte mit Ich-habe-da-einen-Freund. Herr Fröhlich wählt die mir ebenfalls seit Studienzeiten bekannte direkte Alternative, zieht seine Hosen herunter und hält mir seinen Po ins Gesicht.
"Was halten Sie davon? Ist das bösartig?"
Ein in meinen Augen stinknormaler Leberfleck, etwa walnussgroß, lacht mir von Fröhlichs linker Pobacke entgegen.
"Was sagt Ihr Hautarzt dazu?"
Fröhlich zögert einen Moment.
"Da traue ich mich nicht hin."
Diese Antwort hätte auch von mir kommen können, sie ist so typisch für uns. Herr Fröhlich traut sich, die Intensivstation der Humana-Klinik zu überfallen, und uns und sich selbst in die Luft zu sprengen, wenn es sein muss, wagt sich aber nicht zum Hautarzt. Vielleicht ist Krebs nicht so bösartig, solange man nicht hinguckt!
Stinki jedoch teilt diese menschlichen Bedenken nicht, mustert interessiert den Po seines Alphatieres.
"Wissen Sie, Herr Fröhlich, Hunde sind gut darin, gutartige von bösartigen Hautveränderungen zu unterscheiden, ihre Trefferquote ist über neunzig Prozent."
"Ist das wahr?"
"Ja, dazu gibt es gute Untersuchungen."
"Und - was sagt Stinki zu meinem Fleck?"
"Nee, man muss ihm das antrainieren. Wie mit den Hunden bei der Drogenfahndung."
Damit bleibt der Ball in meiner Hälfte, gibt mir Fröhlich mit seinem Blick zu verstehen.
"Für mich sieht das nach einem harmlosen Leberfleck aus. Juckt er? Hat er mal geblutet? Die Farbe verändert?"
Fröhlich ist deutlich gelenkiger als ich, aber auch mit ziemlich verrenktem Kopf hat er Schwierigkeiten, den Fleck in seinem gesamten Umfang zu erfassen.
"Nein, die Farbe ist gleich geblieben. Aber ich glaube, er ist größer geworden."
Ganz sicher ist er sich dessen auf Nachfrage natürlich nicht. Und vielleicht habe der Fleck doch einmal gejuckt, meint er. Er dreht den Spieß um.
"Sie sind ganz sicher, dass es wirklich nur ein harmloser Leberfleck ist, ja?"
Also schön. Ich gebe zu, ich bin nur zu 99,9 Prozent sicher. Er solle zu einem Hautarzt gehen und eine kleine Gewebeprobe untersuchen lassen. Fröhlich schaut mich an, nickt. Wieder mal ein Arzt, der im Grunde nicht Bescheid weiß!
Es ist deutlich wärmer geworden auf der Intensivstation. Die Nachrichten haben für heute wieder mindestens fünfunddreißig Grad angekündigt, ohne Klimaanlage sind wir mittlerweile auch hier drinnen auf dem Weg dahin.
Unverändert frage ich vor jeder Art von Aktivität lieber vorher um Erlaubnis, so auch jetzt, ob ich auf die Toilette gehen darf. Vielleicht war es der Anblick von Fröhlichs Po, der endlich meine Verdauung in Gang gebracht hat.
Auf der Toilette erwartet mich allerdings die nächste Überraschung: Man hat uns auch das Wasser abgestellt. Ich kontrolliere die Wasserhähne in der Teeküche und neben den Betten, gleiches Ergebnis. Leider gibt es für dieses Problem keine so elegante Lösung wie für den Strom.
"Installateur bin ich nicht. Selbst wenn, würde uns das nichts nützen."
Also sitzen wir wieder, mehr oder weniger Seite an Seite, auf dem Boden und hängen unseren Gedanken nach. Ich eigentlich nur dem, wie unangenehm es ist, nach erfolgreichem Stuhlgang weder spülen noch sich die Hände waschen zu können.
"Sie haben mich heute Nacht gefragt, ob ich an Gott glaube, erinnern Sie sich?" fragt Fröhlich unvermittelt. "Wie steht es mit Ihnen?"
Die Melodie von "Freude schöner Götterfunken" aus Renates Handy enthebt mich vorerst einer Antwort.
Es ist Michael, der mir mitteilt, dass er mit den Leberwerten fertig sei.
"Und?"
"Proband dreizehn hat in der Tat hochpathologische Leberwerte!"
Falls Proband dreizehn tatsächlich Frau Fröhlich ist, weiß ich das seit vorgestern. Entscheidend ist der Zeitpunkt.
"Michael, du spielt wieder einmal mit
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