Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
schleppt?«
    »Das ist unbestreitbar ein Problem. Aber Adamsberg hat richtig gesehen, was den Tod von Fulgence angeht, das läßt sich nicht leugnen, die Tatsachen sind da. Halten Sie nicht mehr zu ihm, Capitaine?«
    »Ich denke nur über Tatsachen und Wahrscheinlichkeiten nach.«
    Danglard zog sich in den hinteren Teil des Wagens zurück, verstummte und ließ seine verwirrten Kollegen über die Auferstehung des alten Juristen diskutieren. Ja, Adamsberg hatte recht gehabt. Und das machte die Sache um so schwieriger. Als er zu Hause war, wartete er, bis die Kinder eingeschlafen waren, um mit Quebec zu telefonieren. Dort war es erst sechs Uhr abends.
    »Kommst du voran?« fragte er seinen Kollegen in Quebec.
    Voller Ungeduld hörte er den Erklärungen seines Gesprächspartners zu.
    »Wir müssen das Ganze beschleunigen«, unterbrach Danglard. »Hier bei uns wendet sich das Blatt. Die Exhumierung hat stattgefunden. Keine Leiche, sondern ein Sandsack … Ja, genau … Und unser Divisionnaire scheint daran zu glauben. Aber noch ist nichts bewiesen, verstehst du? Mach, so schnell du kannst, und gib dein Bestes. Sonst kommt er womöglich noch ungeschoren davon.«
     
    Adamsberg hatte allein in dem kleinen Restaurant in Richelieu zu Abend gegessen, in dieser so einzigartigen behaglichen und melancholischen Stille eines Provinzhotels außerhalb der Saison. Kein Vergleich zu dem Lärm in den Schwarzen Wassern von Dublin. Um neun Uhr lag die Stadt des Kardinals wie ausgestorben. Gleich darauf war er auf sein Zimmer gegangen, und auf dem rosafarbenen Bettüberwurf ausgestreckt, die Hände unter dem Nacken verschränkt, versuchte er, seinen Gedanken mal nicht freien Lauf zu lassen, sondern sie getrennt voneinander auf Plättchen zu verteilen, zwei Millimeter Durchmesser, jeden in seine Wabenzelle. Hier der Treibsand, in dem der Richter weggesunken war, um aus der Welt der Lebenden zu verschwinden. Da die dreizinkige Bedrohung, die über ihm schwebte. Und die Entscheidung für Quebec als Ort der Ausführung.
    Aber Danglards Einwand wog schwer auf der anderen Seite der Waage. Er konnte sich kaum vorstellen, wie der Hundertjährige Elisabeth Winds Leiche querfeldein schleppte. Das junge Mädchen war nicht zart, auch wenn ihr Name an die Leichtigkeit der Luft erinnerte. Adamberg blinzelte.
    Genau das hatte Raphaël immer von seiner Freundin Lise gesagt: leicht und leidenschaftlich wie der Wind. Weil sie so hieß wie der heiße Wind im Südosten, der Autan. Zwei Windnamen, Wind und Autan. Er richtete sich auf einem Ellbogen auf und ging leise die Nachnamen der anderen Opfer in ihrer chronologischen Reihenfolge durch. Espir, Lefebure, Ventou, Soubise, Lentretien, Mestre, Lessard, Matère, Brasillier, Fèvre.
    Ventou und Soubise fielen auf, die ließen sich Wind und Autan zuordnen. Vier Namen, die an Winde erinnerten. Adamsberg schaltete die Deckenlampe ein, setzte sich an den kleinen Tisch im Zimmer und stellte eine Liste aller Opfer auf, wobei er nach Kombinationen und Zusammenhängen zwischen den zwölf Namen suchte. Doch außer den vier Winden fand er keine weitere Verbindung.
    Der Wind, die Luft. Eins der vier Elemente, neben dem Feuer, der Erde und dem Wasser. Der Richter konnte durchaus versucht haben, eine Art Kosmogonie zusammenzustellen, die ihn zum Herrscher über die vier Elemente machte. Zu einem Gott, wie Neptun mit seinem Dreizack oder Jupiter mit seinem Blitz. Stirnrunzelnd ging er noch einmal seine Liste durch. Nur Brasillier konnte ans Feuer erinnern, darin steckte brasier, die Glut. Was die übrigen betraf, hatten sie nichts mit Flammen, mit der Erde oder dem Wasser zu tun. Müde schob er sein Blatt weg. Ein Greis, der sich einfach nicht fassen ließ und der hartnäckig der Logik einer unverständlichen Serie folgte. Er dachte wieder an den Hundertjährigen in seiner Kindheit, den alten Hubert, der kaum mehr imstande war, sich von der Stelle zu bewegen. Er wohnte ganz oben im Dorf und brüllte abends aus seinem Fenster, sobald er eine Krötenexplosion hörte. Fünfzehn Jahre früher wäre er noch hinuntergestiegen und hätte ihnen eine Tracht Prügel verpaßt. Ziehen Sie fünfzehn Jahre ab.
    Diesmal richtete sich Adamsberg vollends auf, die Hände auf dem Tisch. Auch die anderen anhören, hatte Retancourt gesagt. Und Doktor Courtin hatte sich sehr bestimmt geäußert. Er durfte seine Meinung, seine Professionalität nicht außer acht lassen, nur weil seine ärztliche Sicht sich nicht mit den eigenen Beobachtungen

Weitere Kostenlose Bücher