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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Gedächtnis hatte. Es war gerade noch Zeit; das neuerliche Auftauchen von Fulgence, der Neue Vater und Noëlla hatten diese Schweiß- und Urinpappen in ziemlich weite Ferne gerückt. Er war nicht unglücklich darüber, daß er seinen schonungslosen und jovialen Begleiter morgen loswurde und mit Sanscartier dem Guten ein Tandem bilden würde.
    Spät am Abend hörte er einen Wagen auf dem Parkplatz bremsen. Er warf einen Blick von seinem Balkon und sah, wie die Gruppe aus Montreal ausstieg, Danglard an der Spitze, der gebeugt durch das Schneegestöber lief. Ihm hätte er auch gern die Uhrzeit gegongt, wie der Surintendant gesagt hätte.

23
     
    Es ist seltsam, daß drei Tage schon ausreichen, das Staunen zu beenden und erste Gewohnheiten einrasten zu lassen, dachte Adamsberg, als er vor den Gebäuden der GRC parkte, nur wenige Meter von dem eifrigen Eichhörnchen entfernt, das die Tür bewachte. Das Gefühl von Absonderlichkeit verblaßte, und jeder Körper begann sich ein Nest in den neuen Gefilden zu bauen und es seiner Form anzupassen, so wie man nach und nach die Sitzfläche seines Sessels eindrückt. So setzte sich an diesem Montag auch jeder wieder auf denselben Platz im Versammlungsraum, um dem Surintendant zuzuhören. Nach dem Außendienst kam nun das Labor, Extraktion des Probenmaterials, Aufbringen auf Plättchen, zwei Millimeter Durchmesser, Einsetzen in die sechsundneunzig Wabenzellen der Mikropaletten. Instruktionen, die Adamsberg teilnahmslos für seine Tagespost an Mordent notierte.
     
    Adamsberg ließ Fernand Sanscartier die Spezialpappen anordnen, die Plättchen vorbereiten und die automatisierten Kanülen starten. Alle beide lehnten sie auf einer weißen Reling und sahen dem Auf und Ab der Nadeln zu. Seit zwei Tagen schlief Adamsberg schlecht, und die eintönige Bewegung der Dutzenden von synchronen Kanülen machte ihn ganz benommen.
    »Das macht einen richtig fertig, was? Soll’ch uns einen Normalen holen?«
    »Einen doppelten Normalen, Sanscartier, schön stark.«
    Die Becher vorsichtig tragend, kam der Sergent zurück.
    »Verbrenn dich nicht«, sagte er und reichte Adamsberg seinen Kaffee.
    Und wieder nahmen die beiden Männer ihre gebeugte Haltung am Geländer ein.
    »Irgendwann«, sagte Sanscartier, »wird man nicht mal mehr ruhig in den Schnee pinkeln können, ohne daß man damit gleich einen Strichcode provoziert und drei Polizeihubschrabse auftauchen.«
    »Irgendwann«, setzte Adamsberg fort, »wird man die Kerle nicht mal mehr verhören müssen.«
    »Irgendwann braucht man sie nicht mal mehr zu sehen. Ihre Stimme zu hören und sich zu fragen, ob sie vielleicht. Man wird am Schauplatz des Verbrechens aufkreuzen, einen Hauch von Schweiß entnehmen, und der Kerl wird mit einer Pinzette frei Haus geschnappt und in einer Schachtel seiner Größe abgeliefert.«
    »Und irgendwann wird man vor Langeweile nur noch abkotzen.«
    »Findsta, daß dieses Getränk schmeckt?«
    »Nicht sehr.«
    »Ist nicht unsere Spezialität.«
    »Und langweilst du dich hier, Sanscartier?«
    Der Sergent wog seine Antwort ab.
    »Ich hätte Lust, wieder im Außendienst zu arbeiten. Da, wo ich meine Augen benutzen und auch in den Schnee pinkeln könnte, wenn du verstehst. Vor allem, weil meine Puppe in Toronto sitzt. Aber sag’s nicht dem Boß, sonst krieg ich einen gedeckelt.«
    Ein rotes Signal leuchtete auf, die beiden Männer blieben einen Augenblick regungslos stehen und sahen auf die nun unbeweglichen Kanülen. Dann rückte Sanscartier schwerfällig von der Reling ab.
    »Wir müssen uns bewegen. Wenn der Boß uns dabei schnappt, wie wir hier nur die Luft umrühren, platzt er aus der Haut.«
    Sie leerten die Palette und setzten nächste Spezialpappen ein. Plättchen, Wabenzellen. Sanscartier startete von neuem den Einstichvorgang.
    »Machsta viel Außendienst in Paris?« fragte er.
    »Soviel wie möglich. Und ich gehe auch spazieren, schlendere herum, träume.«
    »Bist ’n Glückspilz. Du löst deine Fälle, indem du gemütlich Wolken schaufelst?«
    »In gewisser Weise«, sagte Adamsberg mit einem Lächeln.
    »Und bista gerade an ’nem guten dran?«
    Adamsberg verzog das Gesicht.
    »Das kann man nicht sagen, Sanscartier. Im Augenblick schaufle ich wohl eher Erde.«
    »Bista auf ’n Knochen gestoßen?«
    »Lauter Knochen. Ich bin auf einen kompletten Toten gestoßen. Aber dieser Tote ist nicht das Opfer, sondern der Mörder. Es ist ein toter Alter, der mordet.«
    Adamsberg sah in Sanscartiers braune Augen, die

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