Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
hatte. An dieser wurde bei Schlechtwetter das Faltdach befestigt, sodass die zahlenden Gäste schön im Trockenen saßen – die Droschke war als Taxi gedacht.
Die größte Bauform schließlich setzte einen deutlich vergrößerten Kasten auf den rückwärtigen Teil des Rahmens. Dieser »Hotelbus« nahm im hinteren Bereich bis zu sechs Personen auf. Das erhöhte Gewicht ging allerdings zu Lasten der Leistung.
Der Stadtwagen Type B dokumentierte so gleich mehrere Dinge, die typisch waren für diese Phase der Elektrofahrzeuge: Gedacht waren die als völlig normale Straßen-Stadtfahrzeuge. Sie litten – ähnlich wie E-Fahrzeuge heute – an vergleichsweise geringen Reichweiten, obwohl die Type B im Laufe ihrer Entwicklungszeit sogar eine EnergieRückgewinnung aus Bremsvorgängen verpasst bekam.
Im Betrieb waren die Siemens-Wagen unschlagbar billig, Siemens bezifferte die Stromkosten auf 3,2 Pfennige für 80 Kilometer. Und nicht einmal der Kaufpreis sprach gegen sie: Die Preisspanne des Stadtwagen Type B mit je nach Modell 11.000 bis 17.500 Reichsmark lag exakt auf dem gleichen Niveau wie die damals ebenfalls modular in verschiedenen, vergleichbaren Formen angebotenen Mercedes Simplex, für dessen Spitzenmodelle sogar bis zu 20.000 Reichsmark aufgerufen wurden.
Was die Kosten betraf, so hatten E-Fahrzeuge um 1906/1907 ihre Nachteile, die sie zur Zeit des Lohner-Porsche noch so offensichtlich hatten, verloren. Das Rennen hätte ab hier offen verlaufen müssen. Tatsächlich erlebten E-Fahrzeuge in den USA genau ab dann bis circa 1915 ihre größte Verbreitung – natürlich in den Metropolen. Im weit weniger urbanen Deutschland aber ging die Rechnung nicht auf. Hatte Porsche von seinem astronomisch teuren Mixte-und Semper-Vivus-Wagen noch rund 400 Exemplare verkaufen können, fanden nur rund 50 Siemens-E-Wagen einen Käufer.
… bot Siemens als Plattformauto gleich in vier Modellvarianten an, die sich deutlich voneinander unterschieden
Denn 1907 war der Punkt erreicht, an dem sich die Preise der verschiedenen Plattformen wieder auseinanderdividierten: Benzin und Benziner wurden immer billiger, ETechnik hingegen nicht – sie stagnierte sowohl leistungsmäßig als auch preislich.
Siemens zog bald schon die Konsequenzen und kaufte mit Protos eine Automarke auf, die neben E-Wagen auch Benziner herstellte. Den Bau von Elektrowagen ließ man bis 1911 auslaufen, in den USA hielten sich die Hersteller hingegen bis weit in die 1930er Jahre. Sein Gastspiel im Automobilmarkt beendete Siemens 1926, als es Protos an den Konkurrenten AEG verkaufte. Ein Jahr später war die Marke tot.
Mary, oh Mary:
Die Opfer des Fortschritts
Mag sein, dass Mary Ward (1827–1869) so oder so Geschichte geschrieben hätte: Die Irin war eine herausragende Nachwuchs-Wissenschaftlerin und Autorin zu einer Zeit, als man Frauen beides noch nicht zutraute. Es machte sie berühmt und – neben Queen Victoria und der Astronomin Mary Somerville, nach der man später ein College der Universität Oxford benennen sollte – zur damals einzigen Frau, die in die Korrespondenzliste der elitären Royal Astronomical Society aufgenommen wurde.
Die Gesellschaft war männlich dominiert, Wahlrecht und erste Ansätze zur Gleichstellung noch Jahrzehnte entfernt. Gerade die Wissenschaft war ein reiner Männerclub und sollte dies noch lange bleiben. Was Frauen zum Erkenntniszuwachs beizutragen hatten, wurde gern genommen, aber sehr selten gewürdigt. Noch 50 Jahre nach Mary Ward wurde Marie Curie die Ehre der Aufnahme in Frankreichs Académie des sciences verwehrt, obwohl sie bereits einen Nobelpreis verliehen bekommen hatte.
Zu Mary Wards Zeiten war für Frauen noch nicht einmal ein Studium denkbar, und die damaligen Schriftstellerinnen veröffentlichten vorzugsweise unter männlichen Pseudonymen – denn von Frauen geschriebene Bücher fanden nur in absoluten Ausnahmefällen einen Verleger.
Umso außergewöhnlicher war die wissenschaftliche Karriere dieser Dame, die natürlich nur deshalb denkbar war, weil sie in privilegierte Kreise hineingeboren wurde.
Sie war eine Cousine von William Parsons, dem Grafen von Rosse, und heiratete später Henry Ward, den Viscount von Bangor, gehörte demnach also zur anglo-irischen High Society. Ihre Bekanntheit gründete aber keineswegs auf dem Ruhm oder Reichtum ihrer Familie.
Die als Mary King im ländlichen Kaff Ferbane geborene Frau machte sich ihren Namen selbst. Ihr Cousin William Parsons, Herr auf Castle Birr, war kein
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