Der Visionist
sagte sie leise, „dass du mich so nie malen wirst …“
Er vernahm ihre geflüsterten Worte, und sie ließen ihn nicht wieder los. Niemand außer ihm hatte die Worte gehört; sie konnten nicht in einem Tagebuch, einem Notizbuch oder einem Brief stehen, sie waren niemandem weitererzählt worden. Denn die Frau, die sie ihm zugeflüstert hatte, war wenige Augenblicke später gestorben.
Er rührte sich nicht. Sagte kein Wort. Er versuchte zu begreifen, was gerade geschehen war, versuchte, es logisch und rational zu erklären. Es war zu viel auf einmal. Na gut, es genügte, wenn er sich fürs Erste nur einen Teil erklären konnte. Falls … falls es Reinkarnation wirklich gibt , dachte er, dann ist sie auf die Zukunft gerichtet. Es muss so sein, denn sonst würden wir alle in der Vergangenheit feststecken .
„Bitte versprich mir“, sagte sie noch einmal, „dass du mich so nie malen wirst.“
Es waren Solanges letzte Worte gewesen, aber Emeline wartete auf eine Antwort. Solange hatte Lucians Antwort nicht mehr hören können.
Er schaute durch den Ladenraum zu ihr hinüber, und die Distanz zwischen ihnen schien mit einem Mal nicht mehr so groß zu sein. Lucian ging einen Schritt auf sie zu. Sie waren beide beschädigt worden, wie der Matisse, wie die Statue des Gottes des Schlafes. Aber sie waren auch Überlebende. Vielleicht hatte das, was sie erlebten, sie zu besonderen Menschen gemacht. Vielleicht hatte das, was sie erleiden mussten, ihnen etwas Magisches verliehen. Und mit einem Mal waren sie sich ganz nah.
– ENDE –
ANMERKUNGEN DER AUTORIN
Wie schon bei den ersten beiden Bänden der Serie, Der Memory Code und Der Beethovenfluch habe ich meine Fiktion mit sehr vielen Fakten unterfüttert.
Das Metropolitan Museum of Art in New York existiert natürlich. Ich habe das Glück, dass ich mein ganzes Leben lang immer in seiner Nähe gewohnt und Tausende von Stunden dort verbracht habe. Die Fakten zur Geschichte des Museums kann man überall nachlesen, allerdings nicht die Details zu den Sicherheitsmaßnahmen. Sicherheitsexperten haben mir aber versichert, dass die Alarmsysteme, so wie ich sie in Der Visionist beschrieben habe, plausibel sind, auch wenn ich hoffe, dass ein solches Szenario in Wirklichkeit nicht durchführbar ist.
Der Flügel für Amerikanische Kunst existiert, und die Sammlung für Islamische Kunst war wirklich gerade wegen Umbau geschlossen, während ich dieses Buch schrieb. Viele Gemälde, die in dem Roman auftauchen, gibt es wirklich, oder sie basieren auf real existierenden Bildern, deren Titel ich veränderte.
Für eine Statue wie Hypnos gibt es keine historische Quelle; er ist Fiktion. Doch es gab in der Antike viele Skulpturen monumentalen Ausmaßes, auch wenn heute nur noch Fragmente dieser gigantischen Kunstwerke überlebt haben. Ich bedanke mich bei Kenneth D. S. Lapatin für seine Unterstützung bei Fragen, die diese Statuen betreffen.
Leider ist der weltweite, milliardenschwere, illegale Handel mit gestohlener Kunst traurige Wirklichkeit. Und allzu oft überschneiden sich die Geschäfte von Drogenkartellen und illegalen Waffenhändlern mit denen von Kunstdieben und Hehlern. Auseinandersetzungen und Prozesse zu Kulturerbefragen sind heutzutage an der Tagesordnung. Dabei geht es genau um die Probleme, über die ich im Roman geschrieben habe.
Der frühere FBI-Agent Robert K. Wittmann war federführend bei den Veränderungen des Umgangs des FBI mit gestohlener Kunst. Er hat mich bei der Entwicklung meiner Version des real existierenden Art Crime Teams beraten, wobei ihm allerdings nicht all die Stellen im Roman anzulasten sind, an denen ich mir künstlerische Freiheiten erlaubt habe.
Bei Daten und Beschreibungen von historischen Ereignissen habe ich mich, soweit irgend möglich, an die realen Begebenheiten gehalten, ebenso existieren die meisten der im Roman vorkommenden Orte in New York, meiner Heimatstadt.
Die Phoenix Foundation ist Erfindung; es gibt keine solche Stiftung. Die Arbeit der fiktionalen Foundation ist allerdings inspiriert von der Arbeit, die an der University of Virginia durchgeführt wird. Dort arbeitete der real existierende Dr. Ian Stevenson über dreißig Jahre lang mit Kindern, die Erinnerungen an frühere Leben hatten. Dr. Bruce Greyson und Dr. Jim Tucker, ein Kinderpsychiater, führen heute Ian Stevensons Arbeit fort. (Und niemand sollte diese beiden wundervollen Ärzte für die Persönlichkeitsstörungen des Dr. Malachai Samuels verantwortlich
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