Der Visionist
den 12. April 1885 datiert war und Frankreich das alleinige Ausgrabungsrecht für die Gegend um Schusch gewährte, in der sich das antike Susa befand. „Der ist authentisch. Aber wir haben keinen Beweis dafür, wann Hypnos gefunden wurde. Wir können nur beweisen, wann er aus dem Land geschifft wurde, und deshalb nützt uns der Vertrag nichts.“
„Er wurde vor April gefunden. Der amerikanische Sammler hat Beutekunst gekauft“, betonte Taghinia nachdrücklich. Dabei drehte er den Kopf und warf Samimi wieder einen scharfen Blick zu, bevor er mehr giftigen Rauch in seine Richtung blies.
Niemand konnte Samimi ernsthaft die Schuld an dem aktuellen Fiasko geben. Nassir hatte die fraglichen Dokumente in einem Diplomatenkoffer in die USA bringen lassen. Aber Taghinia brauchte einen Sündenbock, und in den letzten anderthalb Jahren war Samimi für den Fall verantwortlich gewesen. Er wusste mehr über die Geschichte des Hypnos als alle anderen hier im Raum, mit Ausnahme von Reza.
Der amerikanische Sammler hatte die Skulptur 1888 erstanden und sie nach seinem Tod dem Metropolitan Museum of Art hinterlassen, zusammen mit dem Rest seiner umfangreichen Sammlung. Das New Yorker Museum steckte damals noch in den Kinderschuhen und war erst kürzlich von der 14. Straße hoch an die Ecke 81. Straße und Fifth Avenue gezogen. Bald waren die neuen Räumlichkeiten jedoch schon wieder zu klein geworden, und der damalige Direktor, General Luigi Palma di Cesnola, steckte alle ihm zur Verfügung stehenden Gelder in die Vergrößerung des Museums. Als Hypnos in den Besitz des Museums überging, sah Cesnola sofort, wie viel ihn die Restauration der Statue kosten würde. Er ließ sie in dem höhlenartigen Tunnel unterhalb des Central Parks einlagern, bis er wieder Geld hatte, um sich um die Skulptur zu kümmern. Im Jahr 1908 beschriftete ein junger Kurator dieeingelagerte Statue falsch. Danach galt sie fast ein ganzes Jahrhundert lang als verschollen. Im Winter 2007 dann war wieder ein Kurator auf der Suche nach einer römischen Bronzeplastik und entdeckte stattdessen die falsch beschriftete Kiste. Ein paar Monate später gab das Met den Fund bekannt. Hypnos, so wurde verlautet, würde einer dringend nötigen Restaurierung unterzogen und dann in einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Bei ihrer Eröffnung im Jahr 2011 würde die geplante Ausstellung als Verbindungsstück zwischen der Sammlung für Griechische und Römische Kunst mit der neuen Sammlung für Islamische Kunst dienen.
Fünf Monate später hatte Vartan Reza dem Museum im Namen der iranischen Regierung ein offizielles Ersuchen um Rückgabe des Hypnos vorgelegt. Darin wurde behauptet, dass die Statue von einem französischen Archäologen illegal außer Landes geschmuggelt worden war.
Kaum wurde international über den Fall berichtet, stellte die griechische Regierung ein ähnliches Ersuchen. Darin wurde gefordert, die Statue Griechenland zurückzugeben, denn auch wenn sie im Nahen Osten entdeckt worden sei, war sie doch offensichtlich griechischen Ursprungs und gehörte deshalb zum nationalen Vermächtnis Griechenlands.
Es überraschte niemanden, dass die weltweit einzig erhaltene Skulptur im chryselephantinen Stil zu einem umstrittenen Kulturgut geworden war, doch das Metropolitan Museum of Art ließ sich erst gar nicht auf einen Rechtsstreit ein.
In einem in der New York Times veröffentlichten Gastkommentar schrieb der Museumsdirektor über das Thema Kulturerbe, an dem sich der Streit um den Hypnos entzündete:
Was hier verhandelt wird, entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Frederick L. Lennox hat uns die Skulptur vermacht, doch er hat sie nicht als Beutekunst aufgekauft .Im 19. Jahrhundert war die Teilung ein gebräuchliches und vollkommen legitimes System. Die Statue war Objekt eines solchen Abkommens, in dem Persien im Tausch gegen einen Teil des Funds von der archäologischen Expertise der Ausgräber profitierte. Dies war damals keine illegale Vorgehensweise, und sie kann auch heute nicht als illegal angesehen werden.
Der Hypnos befindet sich seit hundertzwanzig Jahren im Met. Das Museum ist sein Zuhause, bei uns wird er nach höchsten restauratorischen Standards sicher verwahrt. In seinem Herkunftsland kann dies nicht immer gewährleistet werden. Wir werden ihn auch weiterhin schützen und für Ausstellungen vorbereiten, es sei denn, uns werden Dokumente vorgelegt, die unumstritten beweisen, dass er auf ungesetzlichem Weg in den Besitz von Mr
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