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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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gäbe?“
    „Aber ist das nicht genau das, was die Phoenix Foundation tut? Beweise dafür sammeln?“
    „Wir haben bei über dreitausend Kindern deren Erinnerungen aus früheren Leben erforscht und dokumentiert. Ich möchte betonen, dass wir ungemein vorsichtig vorgegangen sind. Wir haben Zufälle und Überschneidungen entdeckt, die so verblüffend sind, dass sie sich nur als echte Erinnerungen von früheren Leben erklären lassen. Aber bei dieser Art von Beweisen kann immer jemand unsere Ergebnisse anzweifeln. Meine Tante und ich waren überzeugt, dass wir unwiderlegbare Beweise gesammelt hätten, doch die Wissenschaftler folgen unseren Schlussfolgerungen nicht.“
    „Das muss äußerst frustrierend für Sie sein.“
    Samuels kniff die Augen zusammen. „Wir haben mehr erreicht als alle anderen Experten, die an dieser Frage arbeiten. Und trotzdem verweigert man uns die wissenschaftliche Anerkennung für unsere Arbeit. Ich dachte, dass sich nach dem Vorfall in Wien alles ändern würde …“ Seine Stimme wurdeleiser, als er sich wieder dem Brief zuwandte, der vor ihm auf dem Tisch lag. „Es gibt nur eine Lösung: Wir müssen das nächste Objekt unbedingt als Erste finden.“ Samuels ballte die Hände zu Fäusten.
    „Wie oft hatten Sie denn schon Zugang zu einem Ihrer früheren Leben?“, fragte Elgin.
    Samuels schob abrupt seinen Stuhl vom Tisch und stand schnell auf. „Sie, mein Freund, haben eine sehr wichtige Arbeit zu tun, von der ich Sie nicht länger abhalten möchte. Sehr, sehr viel hängt davon ab, was Sie hier finden können.“ Das hintergründige Lächeln wirkte gezwungen, als Samuels sich mit einer angedeuteten Verbeugung verabschiedete und ging.
    Nie. Das Wort hing wie ein Gespenst in der Luft, obwohl niemand es laut ausgesprochen hatte. Nie. Warum hätte Samuels sonst nicht auf Elgins harmlose Frage antworten sollen? Nie. Lag hier das eigentliche Motiv für die Obsession des Mannes, das ihn aus Verzweiflung nicht einmal vor einem Mord zurückschrecken ließ? Nie.

31. KAPITEL
    Los Angeles, Kalifornien
    Lucian erwartete den Anruf des Matisse-Zerstörers irgendwann nach neun Uhr. Deshalb war er um acht bereits geduscht, rasiert und angezogen und hatte zum Frühstück Orangensaft, schwarzen Kaffee und Vollkorntoast mit Honig bestellt. Das Zimmermädchen sagte ihm, seine Bestellung würde etwa eine halbe Stunde dauern, aber bereits nach achtzehn Minuten klopfte es an der Tür. Er blickte durch den Türspion und sah einen Kellner.
    Der junge Mann schob den Servierwagen in den Raum und schloss die Tür halb hinter sich. „Mr Ryan, würden Sie bitte hier unterschreiben?“ Er hielt ihm die Rechnung in einer geöffneten schwarzen Kunstledermappe entgegen. Lucian unterschrieb und steckte ein Trinkgeld in die Mappe, dann gab er sie wieder zurück. Der Kellner verließ das Zimmer, doch die Tür war hinter ihm noch nicht ins Schloss gefallen, da wurde sie schon wieder aufgestoßen.
    „Sie können nicht einfach in das Zimmer eines Gastes!“, rief der Kellner aus dem Gang.
    „Ich bin sein Geschäftspartner“, antwortete eine Stimme barsch. Ein Mann trat ein, schloss die Tür und sperrte die Einwände des Kellners aus.
    Lucian sah sich nach seinem Handy um, ein Elektroschockgerät im Taschenformat, mit dem das hiesige FBI ihn ausgerüstet hatte, das der Zielperson auf eine Entfernung von drei Metern einen Energiestoß ins zentrale Nervensystem feuern konnte, der sie sofort außer Gefecht setzte. Im Gegensatz zu einer Handfeuerwaffe war es legal, und ein Kunstexperte wie James Ryan konnte seinen Besitz ohne Weiteres erklären. Aber das Gerät lag unerreichbar auf dem Tisch am anderen Ende des Raumes, er konnte es nicht holen, ohne Aufsehenzu erregen. Und was noch wichtiger war: James Ryan würde nicht hektisch nach einer Waffe greifen, wenn ein Fremder sein Zimmer betrat; als Zivilist wäre er verwirrt, aber nicht beunruhigt. Jedenfalls nicht sofort.
    „Mr Ryan, mein Name ist Bill Weller. Ich repräsentiere den Eigentümer der Gemälde, die Sie sich hier ansehen sollen.“ Weller war etwa eins sechzig groß und leger in Khakihosen und Poloshirt gekleidet. Sein dichtes schwarzes Haar war ungewöhnlich lockig, und seine getönte Sonnenbrille wirkte zu groß für sein Gesicht mit dem dicken Schnauzbart. Lucian prägte sich sein Gesicht, seine Kleidung und Erscheinung genau ein und speicherte die Informationen. Dabei wusste er, dass es völlig überflüssig war: Der Mann trug eine Perücke und einen falschen

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