Der Visionist
gewalttätigen Van Gogh direkt friedvoll, und trotz der Umstände reagierte Lucian auf die Ausgelassenheit der Szene. Das Porträt von Gustav Klimt war beunruhigend und düster, eine der weniger dekorativen Arbeiten des Meisters ohne glänzendes Gold oder Silber, nur eine mysteriöse dunkelhaarige Frau in einem gelben Kleid vor einem tief grünblauen Hintergrund.
Nach nur zehn Minuten war Lucian bereit, seinen Rufzu riskieren, dass alle diese Gemälde echt waren. Es war eine Schatzkiste, ein erstaunlicher Fund, der die ganze Kunstwelt erschüttern würde. Der Renoir und der Klimt waren jeder mindestens fünf Millionen Dollar wert, der Monet ungefähr vierzig, und der Van Gogh würde über hundert Millionen einbringen. Warum wollte jemand diese Gemälde im Wert von fast zweihundert Millionen Dollar für eine unbedeutendere Statue des griechischen Gottes des Schlafes eintauschen?
„Brauchen Sie Wattestäbchen und Reinigungslösung? Eine Lupe? Schwarzlicht?“, fragte Weller und winkte mit dem Arm zu einem Tisch voller Utensilien.
„Nein, das ist nicht nötig. Ich komme zurecht.“ Lucian hoffte, dass er verzagt klang; für einen Mann wie Ryan wäre das eine seltsame Lage. Er würde nicht genau wissen, was davon zu halten war.
„Sie brauchen keine Hilfsmittel?“
„Nein. Nur ein Telefon“, sagte Lucian. „Ich muss das Museum anrufen.“
„Noch nicht.“ Weller zeigte auf die grauweiße Couch. „Setzen Sie sich. Wir haben zuerst noch etwas zu besprechen.“ Die Worte waren zwar höflich, aber der Tonfall bedrohlich. Lucian wollte gerade darauf bestehen, entweder von hier aus seinen Anruf zu tätigen oder in sein Zimmer zurückzukehren und von dort aus zu telefonieren, als sich die Tür zum Nebenzimmer öffnete und ein zweiter Mann hereinkam. Er hatte langes, fettiges braunes Haar und einen zottigen Bart und trug fleckige Jeans und ein enges, zerrissenes schwarzes T-Shirt. Lucian dachte sich, dass nur die Muskeln echt an ihm waren. Ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass noch jemand im Raum war, hob der schmuddelige Mann den Van Gogh von seinem Gestell und trug ihn ins Schlafzimmer hinüber. Sekunden später kam er wieder und nahm den Monet mit.
„Ich will jetzt telefonieren“, beharrte Lucian.
„Ich habe es Ihnen doch schon gesagt: noch nicht.“
„Werde ich hier als Geisel festgehalten?“
Der zweite Mann kam wieder und nahm dieses Mal den Klimt mit. Lucian hätte nie sein Zimmer ohne sein Handy verlassen sollen, aber sie hatten ihn überrumpelt … und wegen seiner Kopfschmerzen war er nicht ganz auf der Höhe. Wenn er jetzt einen Fehler machte und Comley dachte, dass er unter zu großem Druck stand, konnte er ihn zwingen, sich beurlauben zu lassen. Nicht jetzt. Nicht, solange Malachai immer noch ein freier Mann und Solanges Mörder auf der Jagd war.
„Ich muss jetzt unbedingt telefonieren. Dieser Anruf ist von größter Wichtigkeit.“
„Ich weiß, das haben Sie mir schon zwei Mal gesagt. Noch einen Moment Geduld.“ Weller zog sein eigenes Handy heraus, kehrte Lucian den Rücken zu und tippte eine Nummer ein.
„Mr Ryan ist hier“, sagte er, als am anderen Ende abgenommen wurde. Während er der Person am anderen Ende zuhörte, kam der muskulöse Möbelpacker zurück, nahm den Renoir von seinem Gestell, verließ den Raum wieder und schloss die Tür hinter sich.
Wellers Gespräch war nichtssagend, eindeutig eine Hinhaltetaktik. Eben beschrieb er dem Mann am anderen Ende das Hotel. „Ja, es würde dir gefallen. Sehr schlicht. Sie haben Internet, aber das kostet extra.“
Lucian lauschte angestrengt auf Geräusche aus dem anderen Raum, wo die Gemälde aufbewahrt wurden, aber wegen Wellers nichtssagendem Gespräch konnte er nichts hören. Befand sich noch jemand dort drüben in dem Raum? Wie lange würden sie die Gemälde dort aufbewahren, bevor sie versuchten, sie aus dem Hotel zu schmuggeln? Wie würden sie sie verpacken? Würde es jemandem in der Lobby auffallen, wenn sie mit den Paketen aus dem Hotel gingen? Stand unten schon ein Wagen für sie bereit? Ein Mietwagen? Es waren zu viele unbekannte Faktoren. Er musste unbedingt in sein Zimmerzurück und sein Team alarmieren. Lucian stand auf. „Das ist doch Unsinn! Ich habe meine Arbeit getan. Wenn Ihr Boss mich noch benötigt, hat er meine Nummer.“
Weller verstellte ihm den Weg zur Tür. „Mr Ryan, ich habe es auf die freundliche Art versucht. Und jetzt sage ich Ihnen, setzen Sie sich verdammt noch mal hin, verstanden?“
Lucian, der jetzt
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