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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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offenbar nicht nur ein Junkie, sondern auch hungrig war, blieb neben der Frau in den engen Jeans stehen.
    Tief im Tunnel erschien ein gelblicher Lichtschein.
    Die Stimme in Victors Kopfhörern betonte die Anspannung des Helden, als er einzuschätzen versuchte, in welcher Gefahr er sich befand.
    Aber er hatte vor langer Zeit gelernt, dass Profikiller zu Ungeduld neigten. Mach den Job und verschwinde. Warten erhöht nur das Risiko, dass du versagst.
    Der Zug kam näher. Wie immer beugte sich Victor leicht nach vorne, um zu sehen, ob es ein normaler oder ein Kurzzug war.
    Der Junge warf wieder die Münze in die Luft, genau als der Mann in den Khakihosen sich die Handtasche der Rotblonden schnappte und überraschend schnell und wendigdavonrannte – eher wie ein Profisportler als ein obdachloser Handtaschendieb.
    Dieses Mal hatte der Junge die Münze viel zu hoch geworfen. Als er einen Schritt nach hinten machte, um sie doch noch zu fangen, geriet er dem Handtaschendieb in die Quere. Der wollte unbedingt wegkommen und stieß ihn mit beiden Armen gegen Victor.
    Der plötzliche, heftige Stoß warf Victor um. Er versuchte noch, sein Gleichgewicht wiederzufinden und irgendetwas zu fassen zu bekommen, sich festzuhalten an irgendetwas. Aber da war nichts als Dunkelheit. Er fiel von der Bahnsteigkante und wurde von der Spitze des einfahrenden Zuges erfasst.
    Er wurde nach oben über den Zug geschleudert, immer noch bei Bewusstsein, und dann erfasste ihn die Schwerkraft. Der Fahrer hatte den Aufprall bemerkt und sofort gebremst. Der Zug wurde langsamer und kam zum Stehen – etwa anderthalb Meter zu spät für Victor. Er wurde auf den Gleisen zermalmt, während die Stimme des Erzählers in seinen Ohren mit seiner Geschichte fortfuhr.
    Die am selben Abend von der Polizei befragten Zeugen machten sehr widersprüchliche Aussagen. Die Blondine, der man die Handtasche von der Schulter gerissen hatte, sagte aus, sie habe dem Dieb nachgesehen, und der sei gegen den Verunglückten geprallt – ganz klar ein Unfall. Ein Geschäftsmann mit Fliege sagte aus, dass eine dritte Person beteiligt gewesen sei, ein junger Mann mit Rucksack, der den Dieb weggestoßen habe, sodass der gegen den Mann an der Bahnsteigkante geprallt war. Drei weitere Zeugen berichteten leicht abweichende Versionen des Tathergangs, aber niemand hielt den unglücklichen Vorfall für etwas anderes als einen Unfall.
    Die Zeitungen am nächsten Tag erwähnten, dass Victor Keither nach vierundzwanzig Ehejahren seine Frau und zwei Söhne hinterließ: Einen Einundzwanzigjährigen, der im Herbst an der New Yorker Universität sein Medizinstudiumbeginnen wollte, und einen Sechzehnjährigen, der immer gesagt hatte, dass er einmal Museen bauen wollte wie sein Vater. Was nirgends erwähnt wurde, war die Tatsache, dass durch seinen Tod die Position des Bauleiters für die Renovierung des Islamischen Flügels am Metropolitan Museum of Art frei geworden war.

33. KAPITEL
    Am Mittwochmorgen waren alle Leiter des Museums im Konferenzraum um einen großen ovalen Tisch aus seltenem Zebrano- und Ebenholz versammelt und erhielten ein Briefing durch das FBI. An jedem Platz stand ein originales Wasserglas des Artdéco-Glaskünstlers René Lalique, ein Wasserkrug, eine Serviette aus ägyptischer Baumwolle, ein Teller aus Limoges-Porzellan und Silberbesteck von Jean Puiforcat. In der Tischmitte standen Platten mit winzigen Buttercroissants und goldbraunen Pains au Chocolat und Serviertabletts, auf denen dicke Erdbeeren, glänzende Äpfel und schimmernde grüne Trauben nach den Stillleben von Henri Fantin-Latour unten in den Ausstellungssälen arrangiert waren. Keiner der zwölf Männer und Frauen, die dem illustren obersten Gremium des Museums angehörten, hatte sich bisher etwas zu essen genommen – sie waren allesamt zu verblüfft von dem, was sie gerade hörten.
    Tyler Weil saß am Kopf der Tafel und erklärte die Situation. Er hatte dieses außerplanmäßige Treffen kurzfristig einberufen, das erste seiner Amtszeit und das erste seit zehn Jahren in diesem Museum. Douglas Comley, im Nadelstreifenanzug mit einem gestärkten weißen Hemd und einer sorgfältig gebundenen gestreiften Krawatte, saß an seiner Linken. Lucian Glass saß zu seiner Rechten; er war unrasiert und trug wie üblich schwarze Jeans und T-Shirt. Er wirkte noch hagerer und erschöpfter als sonst.
    „Das wird eine extrem heikle Verhandlung. Ich wollte, dass Sie alle wissen, was genau wir planen.“
    „Bevor wir darauf zu

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