Der Visionist
sprechen kommen – wollen Sie etwa sagen, dass Sie noch nicht einmal herausgefunden haben, warum um alles in der Welt diese Wahnsinnigen diese vier Meisterwerke für eine Skulptur eintauschen wollen?“, unterbrach ihn Jim Rand. Er war ein ungeduldiger Mann über siebzig, derAufsichtsratsvorsitzende einer Holdinggesellschaft, der eine der größten Werbeagenturen der Welt gehörte. In den letzten fünf Jahren hatte er dem Museum so viel gespendet, dass eine ganze Ausstellungshalle nach ihm benannt worden war.
„Niemand wird uns für diesen Austausch tadeln. Der Van Gogh allein ist ein Dutzend griechische Skulpturen wert“, erwiderte Nina Keyes heftig, und ihre Ohrringe mit fünfkarätigen Diamanten hüpften im Takt ihrer Worte auf und ab. „Gebt ihnen einfach die Statue.“
„So einfach ist das nicht, Nina. Wenn sich herumspricht, dass wir verhandelt oder kapituliert haben, machen wir uns zur leichten Beute für wer weiß wie viele andere Kriminelle.“ Hitch Oster war der Vorsitzende des Museumsvorstands. Sein Vater, ein Immobilienmogul, war ebenfalls im Vorstand gewesen, wie auch sein Vater davor. Unter einem halben Dutzend alter Meister waren diskrete Plaketten mit der Aufschrift „Gestiftet von Milton Oster“ angebracht. Aber Hitch Oster führte nicht einfach nur eine Familientradition weiter. Das Museum, seine Sammlungen und die Wichtigkeit dieser Institution lagen ihm wirklich am Herzen. „Museen unseres Kalibers – der Louvre, das Britische Museum, die Uffizien – sind Enzyklopädien der Kunst und der Menschheit. Wir sind die Kronjuwelen zivilisierter Nationen. Wir machen allen gesellschaftlichen Schichten das Angebot, sich mit den Ausstellungsobjekten auseinanderzusetzen, von ihnen zu lernen und sich von ihnen inspirieren zu lassen. Wir verhandeln nicht.“
„Unsere Regeln bringen uns hier aber nicht weiter“, antwortete Nina.
„Wir werden die Gemälde zurückbekommen, ohne das Museum in irgendeiner Weise zu kompromittieren“, erklärte Comley. „Und wir würden Sie gerne darüber informieren, wie genau wir das tun werden.“
„Können Sie sie nicht einfach offiziell beschlagnahmen?“, fragte Rand.
Nina runzelte missbilligend die Stirn. „Warum haben Sie das eigentlich nicht schon längst getan? Sie sagten doch, Sie wären zwanzig Minuten bei den Gemälden gewesen.“
Lucian musste sich verkneifen, seine Schläfen zu massieren. Vor einigen Stunden hatte er Kopfschmerztabletten eingenommen, aber ihre Wirkung ließ schon wieder nach. Die Kopfschmerzen verschlimmerten sich, wenn er unter Stress stand. Oder hungrig war. Das Obst sah gut aus, aber keine der Platten stand in seiner Reichweite. „Wir wollen nicht einfach nur die Bilder. Wir wollen den Mann, der hinter dieser ganzen Aktion steckt.“ Beim Gedanken daran, was gestern geschehen war … Sie hätten – nein, er hätte erwarten müssen, dass ein Mann, der mit seiner Durchtriebenheit schon so weit gekommen war, all ihre Schritte vorausgesehen hatte.
„Soll das etwa heißen, es ist ihm gelungen, die Gemälde an einem ganzen Team FBI-Agenten vorbeizuschmuggeln, ohne dass man ihm folgen konnte?“, wollte Rand wissen. „Wie hat er das angestellt?“
Lucian erklärte es ihnen so knapp wie möglich: Was er befürchtet hatte, war eingetroffen. Viereinhalb Minuten, bevor Lucian in sein Zimmer zurückgekehrt war und die Agenten telefonisch alarmiert hatte, hatte ein Mann das Hotel mit zwei gewöhnlichen Koffern verlassen. Die Agenten, die in der Tiefgarage, vor dem Hotel und in der Lobby auf Lucians Signal warteten, hatten ihn zwar bemerkt, aber keinen Verdacht geschöpft. Später sahen sie auf dem Video der Überwachungskameras, wie er aus dem oberen Korridor zum Aufzug und durch die Eingangshalle zum Haupteingang hinausgegangen war, wo der Portier ihm in ein Taxi geholfen hatte. Nachdem er die Koffer im Kofferraum verstaut hatte, war das Taxi davongefahren.
„Also haben Sie weder die Gemälde sicherstellen können noch einen Hinweis darauf erhalten, wer hinter dieser Sache steckt?“, fasste Rand zusammen.
„Hat der Mann sich einfach darauf verlassen, dass unten ein Taxi auf ihn wartet?“, wollte Oster wissen.
„Wahrscheinlich nicht. Auf den Aufnahmen, die wir gesichtet haben, wartet ein Wagen vor dem Hotel und ist etwa sechzig Sekunden nach dem Taxi losgefahren. Wenn nicht zufällig ein Taxi jemanden dort abgesetzt hätte, wäre unser Verdächtiger vermutlich in diesen Wagen eingestiegen.“
„Was war das für ein
Weitere Kostenlose Bücher