Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
Vom Netzwerk:
beeindruckt waren, und es freute ihn, dass seine Arbeit diese Reaktion hervorrief. Besonders beim Museumsleiter.
    Der Großteil der antiken griechischen und römischen Statuen war ursprünglich reich verziert und bemalt gewesen, aber der Zahn der Zeit hatte ihnen den Schmuck genommen, und ihre Farben waren in den Jahrhunderten verblasst. Wer das nicht wusste, war von den Repliken oft schockiert, die im Vergleich zu den blassen Museumsexponaten fast grell wirkten. Wenn der originale Hypnos schon ein Paradestück war, dann war die Kopie ein visueller LSD-Trip.
    „Nicht übel!“ Olshlings Kommentar war klares Understatement.
    „Sie haben fantastische Arbeit geleistet!“ Weil stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. „Ich fürchte, das wird keine leichte Unterhaltung für mich werden.“
    Was konnte Weil Schwieriges mit ihm zu besprechen haben? Danzinger listete im Kopf die Möglichkeiten auf. Das Logischste wäre, dass sie ihn feuern wollten – aber das würde der Museumsleiter nicht persönlich tun. Selbst wenn es unter außergewöhnlichen Umständen dazu kam, hatte er keinen Grund, mit Olshling, Mitchell oder dem FBI-Agenten im Schlepptau zu erscheinen – es sei denn, man verdächtigte ihn, etwas Illegales getan zu haben. Danzingers Herz begann wieder zu dröhnen, obwohl er wusste, dass er ein musterhafter Angestellter war.
    „Können wir uns setzen?“, fragte Lucian und nickte zu einem mit Büchern und Malutensilien bedeckten Tisch in derEcke des großen Ateliers.
    Als Olshling sich setzte, streifte er eine kleine Schachtel voller Rubine. Sie fiel auf den Boden, und die Steine ergossen sich blutrot auf die weißen Bodenfliesen.
    „Tut mir leid“, entschuldigte sich der Sicherheitschef betroffen, bückte sich und begann, sie wieder einzusammeln.
    „Das ist nicht schlimm. Es sind nur Imitate“, erklärte Danzinger, ging auf die Knie und half ihm.
    Olshling grinste schief. „Hätte mir klar sein sollen, dass Sie hier keine echten Edelsteine offen herumliegen lassen.“
    „Was kann ich also für Sie tun?“ Danzinger wollte endlich herausfinden, worum es hier ging.
    „Was wir Ihnen jetzt sagen, ist streng vertraulich“, begann Lucian.
    „Agent Glass weiß natürlich“, fügte Weil hinzu, „dass Sie seit über fünfzehn Jahren am Museum sind und jeder hier große Stücke auf Sie und Ihre Arbeit hält.“
    „Danke.“ Jetzt, wo er wusste, dass ihm nicht die Kündigung oder Schlimmeres drohte, entspannte Danzinger sich ein wenig.
    „Wir müssen Sie bitten, noch etwas am Hypnos zu arbeiten.“ Lucian blickte von der Reproduktion zum Original in der gegenüberliegenden Ecke des Ateliers. „Wie lange wird es dauern, die Kopie dem Original anzugleichen?“
    „Die Kopie? Ich verstehe nicht ganz …?“
    „Sie wissen von den vier Gemälden, die man uns im Tausch gegen die Statue angeboten hat?“, fragte Weil.
    Danzinger nickte. „Natürlich.“
    „Nun – wir werden uns auf das Geschäft einlassen. Wir geben dem Monster den Hypnos statt unserer Skulptur. Diese Gemälde sind wichtige Meisterwerke. Wir müssen tun, was wir können, um sie zu retten.“
    Danzinger blickte von seinem Chef zur Originalstatue und zurück zu seiner wunderschönen Reproduktion, und ihmwurde klar, was von ihm verlangt wurde: Sie wollten, dass die Kopie genau wie das Original aussah, und die Tauschaktion mit der Kopie durchführen. Er hatte das Gefühl, als hätte man ihn von einem Todesfall in seiner Familie informiert.
    „Ich kann ihn nicht zerstören“, platzte er heraus.
    Weil sah ihn überrascht an. „Ich weiß, wie hart Sie an ihm gearbeitet haben, Charlie. Aber es muss sein.“
    Danzinger traute seiner Stimme nicht. Nicht sofort. Er konzentrierte sich auf seinen Atem und dann darauf, seine Gefühle in Schach zu halten, erst dann antwortete er. „Es tut mir leid. Ich kann ihn wahrscheinlich in weniger als einer Woche so herrichten, wie Sie ihn haben wollen.“
    „Gut. Sie haben drei Tage“, nickte Lucian. „Es muss nicht perfekt sein. Soweit ich weiß, hat außer der Handvoll Leute, die hier im Museum arbeiten, diesen Hypnos seit den 1890er-Jahren niemand mehr gesehen – und aus dieser Zeit existiert nur eine einzige Fotografie, die in einem noch schlechteren Erhaltungszustand ist als die Statue selbst. Ist es nicht so?“ Er sah zu Weil und Mitchell hinüber, die beide nickten.
    Danzinger stand schnell auf und nahm die Augen nicht von seiner Skulptur, an der er sechs Monate lang gearbeitet hatte. Restaurieren war

Weitere Kostenlose Bücher