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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Hände abtrocknete, führte er sie in einen Nebenraum, wo der kleine Sektionsdiener kaugummikauend die Gedärme in einem Porzellanbecken untersuchte; er hielt sie unter einen Wasserhahn und spülte den Inhalt in eine Schüssel. Sorgfältig untersuchte er die Innen- und Außenseiten, um Verätzungen festzustellen. Als er Krishnamurthi sah, legte er die Eingeweide beiseite und wusch sich die Hände.
    »Zeigen Sie ihnen, was wir in den Brusthöhlen gefunden haben, Martin.«
    »Sicher.«
    Er schob den Kaugummi in die Backe und nahm eine große Stahlschüssel, die mit einem Stück braunem Papier bedeckt war. Er entfernte das Papier und hielt die Schüssel hoch. Maddox beugte sich darüber und riß den Kopf zurück, als hätte er einen Schlag bekommen. »Jesus.« Er wandte sich ab und zog ein Taschentuch mit Monogramm aus der Anzugtasche.
    »Zeigen Sie es mir?«
    »Sicher.« Er hob die Schüssel hoch, und Caffery spähte zögernd über den Rand.

    In der Schüssel drängten sich fünf winzige tote Körper zusammen, als versuchten sie, sich warm zu halten. Er sah zu dem Sektionsdiener auf. »Ist es das, wofür ich es halte?«
    Der Sektionsdiener nickte. »O ja. Es ist genau das, wonach es aussieht.«

4. KAPITEL
    C affery ging um vier Uhr morgens ins Bett. Neben ihm schlief Veronica tief und fest und schnarchte leise. Wenn ihr Hals geschwollen war, hieß das, daß ihre Drüsen geschwollen waren. Geschwollene Drüsen bedeuteten, daß der Morbus Hodgkin wieder ausgebrochen war, daß der tödliche Lymphkrebs zurückgekehrt war.
    Genau zum richtigen Zeitpunkt, Veronica, genau zum richtigen Zeitpunkt; als hättest du es gewußt.
    Um vier Uhr dreißig fiel er schließlich in leichten, unruhigen Schlaf und wachte um halb sechs schon wieder auf.
    Er starrte an die Decke und dachte über die fünf Leichen in der Devonshire Street nach.
    Etwas an der Verletzungen war typisch für den Mörder: Die Male an den Köpfen – stammten sie von etwas, das sie tragen mußten? Von Fesselungsgegenständen? – waren nur bei Opfer vier nicht vorhanden. Keines der Opfer war vergewaltigt worden, es gab keine Anzeichen von Penetration, weder anal noch vaginal; dennoch hatte Krishnamurthi unter dem Mikroskop Samenspuren auf dem Unterleib entdeckt. Verbunden mit den Verstümmelungen der Brüste bei drei der Frauen und der fehlenden Kleidung, wußte Caffery, daß sie nach einem Täter suchten, der für die Polizei der Alptraum war: der sexuelle Serienmörder, jemand, der bereits zu krank war, um aufzuhören. Und das, was ihm überhaupt nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, waren die fünf blutigen Körper am Boden der Stahlschüssel. Wohin er sich auch wandte, sie verfolgten ihn.
    Als ihm klarwurde, daß er nicht mehr einschlafen würde,
duschte er, zog sich an, ohne Veronica zu wecken, und fuhr durch das morgendliche London zum Hauptquartier von Team B.
    Team B, das zuweilen nach der Straße, in der es seinen Sitz hatte, Shrivemoor genannt wurde, teilte sich mit der Four Areas’ Territorial Support Group ein schlichtes Backsteingebäude. Die Außenseite war anonym, aber die Statistiken über Verkehrstote, die in einem unbeleuchteten Schaukasten daran angebracht waren, hatten der Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, es handle sich um ein normales Polizeirevier. Schließlich wurde an der Garageneinfahrt ein Schild angebracht, das die Leute davon abhalten sollte, mit ihren Alltagsproblemen hereinzukommen. Suchen Sie ein gewöhnliches Polizeirevier auf, gleich unten an der Straße gibt es eines, stand darauf.
    Als Caffery ankam, war über den Reihenhäusern aus den dreißiger Jahren die Sonne aufgestiegen, und Schulkinder wurden in Volvos verfrachtet. Er parkte den Jaguar – auch er sollte Veronicas Ansicht nach gegen eine neuere, glänzendere Version ausgetauscht werden.
    »Du könntest ihn verkaufen und dir was wirklich Hübsches besorgen.«
    »Ich möchte nichts wirklich Hübsches. Ich will den Wagen, den ich habe.«
    »Dann laß ihn mich wenigstens waschen.«
    Er steckte seine Karte in den Schlitz am Eingang und stieg die Treppe hinauf, vorbei an den fünfzehn gepanzerten Ford Shepard der TSG, die dort in Öllachen standen. In den Räumen der AMIP brannten alle Neonlampen, vier Datenverarbeiter, alle Frauen und zivile Mitarbeiterinnen, saßen an ihren Schreibtischen und tippten.
    Er fand Maddox, der gerade vom Frühstück mit dem Chief Superintendent gekommen war, in seinem Büro. Bei Earl Grey und geräuchertem Lachs im Chislehurst-Golfclub

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