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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Gehirnflüssigkeit ablassen«, er richtete sich auf und tippte auf seinen Nacken, »tritt sofort der Tod ein, und es bleiben kaum Spuren zurück. Selbst eine übliche
Lumbalpunktion muß sehr vorsichtig durchgeführt werden, denn entnimmt man zu viel von der Flüssigkeit, macht es klatsch, und der Patient beißt ins Gras. Aber diese Opfer hier haben etwa die richtige Menge an spinaler Flüssigkeit im Rückenmarkskanal und keine Punktionswunden auf dem Rücken. Also frage ich mich, ob er direkt«, er schob das Kalibrierungsskalpell in die Öffnung zwischen die Halswirbel und schnitt vorsichtig eine geringe Menge der weißen Myelinschicht heraus, »in den Hirnstamm selbst eingedrungen ist.«
    »In den Hirnstamm?«
    »Genau.« Krishnamurthi machte eine zweiten Einschnitt und beugte sich hinunter, um hineinzusehen. »Hmmm.« Sorgfältig führte er das Skalpell und sagte murmelnd: »Nein, ich habe unrecht.« Er runzelte die Stirn und sah auf. »Das ist nicht durch Ablassen von Gehirnflüssigkeit gemacht worden.«
    »Nein?«
    »Nein. Aber hier wurde invasiv vorgegangen. Verstehen Sie, Superintendent Maddox, der Hirnstamm ist von sehr zarter Struktur. Sie bräuchten nur eine Nadel in die Medulla oblongata zu stecken, sie ein bißchen herumzudrehen, und alle physiologischen Funktionen würden sofort zum Stillstand kommen  – genau so, wie wir es bei diesen Opfern hier sehen.«
    »Sofortiger Eintritt des Todes?«
    »Genau. Allerdings sehe ich die weitreichenden Schädigungen nicht, die man hier erwarten würde, aber das heißt nicht, daß hier nicht injiziert wurde. Egal was, sogar Wasser wäre ausreichend; das Herz und die Lungen des Opfers wären einfach zum Stillstand gekommen. Sofort.«
    »Und Sie sagen…« Caffery stieß langsam den Atem aus. »Daß sich außer dieser hier keine gewehrt hat?«
    »Genau.«
    »Wie denn?« Caffery rieb sich leicht die Schläfen. »Wie haben sie stillgehalten?«
    »Ich schätze, wenn Sie die Magen-, Blut- und Tiefengewebeanalyse
aus der Toxikologie vorliegen haben, werden Sie auf etwas stoßen, womit sie sediert wurden.« Er reckte den Kopf. »Man muß wohl annehmen, daß sie nur halb bei Bewußtsein waren, als diese Nadel eingeführt wurde.«
    »Also gut.« Caffery verschränkte die Arme und ließ sich auf den Fersen zurückkippen. »Lambeth muß auf Alkohol, Rohypnol und Barbiturate testen. Und diese…« Er machte mit dem Kopf ein Zeichen in Richtung der Stirn des Opfers. Etwa einen Zentimeter unter dem Haaransatz entdeckte er eine waagrechte Linie zarter ockerfarbener Male. »Diese Flecken am Kopf untersuchen.«
    »Ja, die sind komisch, nicht?«
    »Haben die alle?«
    »Alle außer Nummer vier. Sie erstrecken sich um den ganzen Kopf. Fast ein perfekter Kreis. Und es handelt sich um ein sehr deutliches Muster; ein paar Punkte, dann ein Schrägstrich.«
    Caffery beugte sich ein wenig näher. Punkt, Punkt, Strich – hatte sich da jemand einen Scherz erlaubt? »Wie sind die angebracht worden?«
    »Keine Ahnung. Ich werde mich bemühen, es herauszufinden.«
    »Und wie steht’s mit dem Fadenmaterial?«
    »Ja.« Krishnamurthi schwieg einen Moment. »Es ist professionelles Material.«
    Caffery richtete sich auf. Maddox sah ihn mit klaren grauen Augen über die Maske hinweg an. Caffery zog die Augenbrauen hoch. »Also wenn das nicht interessant ist.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß die Technik professionell ist, meine Herren.« Krishnamurthi streifte seine Handschuhe ab, warf sie in einen gelben Kübel für gefährlichen Biomüll und ging zum Waschbecken hinüber. »Nur das Material. Es ist Seide. Aber der Einschnitt reicht nicht bis zum Schwertfortsatz des Brustbeins. Ziemlich primitiv. Der klassische Schnitt zur Brustverkleinerung, wie er in der Chirurgenausbildung gelehrt
wird.« Er nahm das gelbe Stück Desinfektionsseife und seifte sich die Arme ein. »Er hat das Fett von der ungefähr richtigen Stelle entnommen, und der Einschnitt ist mit einem Skalpell durchgeführt worden. Aber die Nähte, die sind nicht professionell. Überhaupt nicht.«
    »Aber wenn ich davon ausginge, unser Täter hätte gewisse Grundkenntnisse, würden Sie sagen …«
    »Ich würde sagen, Sie hätten einen Anhaltspunkt. Einen guten Anhaltspunkt. Er war in der Lage, den Hirnstamm zu finden, was bemerkenswert ist.« Er spülte sich die Hände ab und nahm die Schutzbrille vom Gesicht. »Nun. Wollen Sie sehen, was er gemacht hat, bevor er sie wieder zugenäht hat?«
    »Ja.«
    »Hier entlang.«
    Während er sich die

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