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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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unten am Hügel. Soll ich’s Ihnen zeigen?«
    »Das wäre nett.«
    »Werden Sie mich gehen lassen?«
    »Wir werden sehen. Jetzt geben Sie mir Ihr Funkgerät.«
     
    Der Regen wurde stärker. Er rann über Cafferys Kragen hinab und durchnäßte seine Schuhe. Die pechschwarzen Wolken waren über die Flußmündung gezogen und schienen über dem Haus stehenzubleiben. Die Fenster blieben dunkel und verschlossen.
    »Nimm den Hörer ab, du Mistkerl.«
    Er und Essex standen zurückgezogen, etwa in Höhe der Mitte des Felsens, das Funkgerät schwieg, und sie versanken im Morast. Selten war sich Caffery so nutzlos vorgekommen. Er wußte, daß Rebecca in dem Bungalow war, und er stellte sich eine Reihe entsetzlicher Möglichkeiten vor. Er erhaschte nur einen kurzen Blick auf das Sturmkommando der TSG, das in Gruppen am Ende des Grundstücks stand, Handschuhe überzog und den roten Türspreizer schulterte.
    Essex drehte sich um. Bleich und schweigend stand Detective Diamond am Rand des Waldes und winkte ihn zu sich her.
    »Dieser Kotzbrocken. Was zum Teufel will er bloß?« Rasch und ruhig ging er zum Waldrand hinüber. »Was machen Sie hier?« zischte er.

    »Da entlang«, flüsterte Diamond und zog sich in den Wald zurück.
    Essex folgte ihm. »Sie sollten doch auf der Straße bleiben.«
    »Hier entlang.«
    »Was ist mit Ihrer Hand passiert? Sie bluten ja …«
     
    Von seinem Versteck aus, das aus einem Haufen verfaulter Blätter bestand, handelte Bliss schnell und treffsicher. Mit einer einzigen Bewegung durchschnitt er Essex’ rechte Archillessehne.
    »Ach du verdammte Scheiße.« Zu verblüfft, um zu schreien, stürzte er wie ein alter Baum zu Boden, fiel auf die Schulter, und sein Funkgerät wirbelte fort, als er inmitten des Bluts die Enden seiner durchtrennten Sehne zu fassen versuchte.
    »Und jetzt die andere.« Bliss, dessen Augen vor Aufregung tränten, warf sich mit surrender Säge auf ihn. Aber Essex war schneller, als er aussah. Stöhnend rollte er sich rasch auf den Rücken, holte mit dem Arm kräftig aus und schmetterte ihn krachend auf Bliss’ Rückgrat.
    Bliss ließ die Säge fallen, stürzte mit einem müden, entsetzten »Uff« in sich zusammen und wand sich zwischen den nassen Blättern.
    »DU STÜCK DRECK, BLISS«, brüllte Essex, rollte nach vorn und hielt Bliss unter seinem schweren Körper fest. »DU VERDAMMTES DRECKSTÜCK.«
    Laut stöhnend rutschte er voran, bis er, keuchend wie ein gestrandeter Fisch, auf Bliss’ Rücken lag. Sein Funkgerät war weg, und er wußte, daß er schwer verletzt war. Er wußte, daß sein Fuß lose am Gelenk baumelte, daß die Muskeln und Adern freilagen. Seine einzige Waffe war sein Gewicht, das ausreichte, um Bliss am Boden zu halten, bis Hilfe kam.
    »Diamond«, schrie er. »Nehmen Sie mein Funkgerät. Rufen Sie alle Einheiten.«
    Aber Diamond zitterte am ganzen Leib und hielt die Hand hoch. »Der Mistkerl hat mich geschnitten «, murmelte er. »Hätte direkt durch eine Arterie gehen können.«

    »DIAMOND!«
    »Sie ist ohnehin tot«, sagte Bliss und spuckte in die modrigen Blätter. »Das sind sie beide, die Miststücke.«
    Essex packte Bliss oberhalb der Schulterblätter am Hemd.
    »Was hast du gesagt, du Dreckstück?« Aber Bliss’ Gesicht war ruhig, geradezu selig gelassen und still. Essex rammte ihm den Ellbogen in den fleischigen Rücken. »Hast du sie umgebracht?« Erneut stieß er den Ellbogen nach unten und ignorierte das leise Knirschen der Bänder seines Fußes. »Was hast du getan, du elender Wichser? Hast du sie getötet?«
     
    »Essex?« Caffery wußte sofort, daß etwas nicht in Ordnung war, als er sich umdrehte und an der Stelle, an der Diamond gestanden hatte, niemanden entdeckte. Er ging ein paar Schritte auf den Waldrand zu und hielt sein Funkgerät griffbereit. Dann blieb er stehen.
    Aus der Tiefe des Waldes drang ein leiser, fast unhörbarer Schrei. Unmenschlich. Und dazwischen ein kurzes, beunruhigendes mechanisches Surren.
    »Essex?« Nichts. »Paul? Alles in Ordnung?«
    Stille.
    Hier stimmt was nicht, Jack. Hier stimmt was nicht.
    Langsam ging er weiter und hielt das Funkgerät an seinen Lippen. Das Surren wurde leiser und verstummte. Angst saugte an seinen Eingeweiden.
    »Bravo 602 an alle Einheiten.«
    Er ging um eine Gruppe Silberbirken und blieb stehen.
    Diamond lehnte an einem umgestürzten Stamm, preßte einen Arm an die Brust und starrte auf Essex, der, mit bläulich erstarrtem Gesicht, etwa zehn Meter tiefer im Wald, Bliss auf den

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