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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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heben und vorsichtig die eigene zerschlagene Nase zu betasten. Ein kleines Stück entfernt lag Cafferys Funkgerät im Morast. Maddox, dessen Stimme fern und metallisch klang, rief seinen Detective Inspector.
    »Bravo 602, hier ist Bravo 601, bitte melden.«
    Der Hubschrauber schwebte über dem Haus. Die TSG würde es stürmen. Zu spät, dachte Essex. Die Mädchen waren bereits tot. Für sie konnte nichts mehr getan werden. Und Jack war bei Bliss. Irgendwo im Wald – ohne Funkgerät.
    »Diamond …« Die Anstrengung war enorm. Sie löste ein dumpfes Hämmern in seinem Kopf aus. »Diamond – das Funkgerät …«
    Diamond antwortete nicht.
    »Diamond! «
    »Was?« Er sah auf. Ärgerlich. »Verdammt, ich bin doch nicht taub.«
    »Das Funkgerät …«
    »Ja, ich weiß. « Er knotete die Enden des Lappens um Essex’ Handgelenk fest. »Ich tu’ mein Bestes, verdammt noch mal.« Er zog eine Grimasse und rollte weg; mit einer Hand bedeckte er sein Gesicht. Diamond zog das Funkgerät heran und drückte den orangefarbenen Alarmknopf, der auf allen Kanälen ein zehn sekunden langes Notrufsignal auslöste.
    »Bravo 603 an alle Einheiten. Dringender Notfall – wiederhole, dringender Notfall.«
    Erschöpft ließ Essex den Kopf sinken. Ein bebender
Schmerz kroch durch seine Glieder. Seine Wahrnehmung, seine Sicht der Bäume, des Himmels, der abgefallenen Äste, das Bild von Diamond, der schnell und wütend ins Funkgerät sprach, hatte sich verkrümmt, sich verzerrt, als wäre die Luft selbst angeschwollen und blähte sich ihm entgegen. Auch das Tageslicht veränderte sich, wie er verschwommen wahrnahm: Es wurde immer grüner und allmählich kälter.
    Dein Herz wird schwächer, Paul, dachte er vage. Du alter Trottel, das wird dir eine Lehre sein. Dein armes, elendes Herz gibt auf …
     
    Die Wucht des Falls war so groß, daß er mit ausgestreckten Händen immer weiter den Graben hinabrutschte, immer näher auf den Zaun zu. Er stemmte die Fersen bremsend in den Boden, und seine Finger ergriffen den glatten Draht zwischen den Stacheln. Knapp ein paar Zentimeter vor ihnen blieb er mit rasendem Herzklopfen liegen. Sofort fand er das Gleichgewicht wieder und wirbelte keuchend und kampfbereit herum.
    Aber zwei Meter entfernt von ihm hatte Bliss weniger Glück gehabt.
    Sein Körper hatte sich im Zaun verfangen; mit flach auf den Boden gestellten Füßen, die Knie gebeugt und die Puppenarme nach oben gestreckt, war er leicht schaukelnd darin hängengeblieben. Die Stacheln hatten sich in seine Haut gebohrt, in sein Haar, tief unter zarte Sehnen. Er gab keinen Laut von sich, blinzelte nur ein- oder zweimal, und sein Gesichtsausdruck wurde ruhig und konzentriert.
    Langsam ließ Caffery die Hände sinken. »Bliss?«
    Keine Antwort.
    Mein Gott, was jetzt?
    Zögernd trat er einen Schritt näher.
    »Bliss?«
    Warum rührt er sich nicht?
    Malcolm Bliss’ Gesichtsausdruck war ruhig und gelassen,
nur seine Kiefer bewegten sich fast unmerklich, als konzentriere er sich, als setzte er alles daran, vollkommen reglos zu verharren. Caffery überlief ein Schauer, und er begriff.
    Bewegung bedeutet Schmerz für ihn. Er sitzt in der Falle.
    Er stieß den Atem aus.
    Da war er nun, gefangen und ihm ausgeliefert. Seine Beute. Der Vogelmann.
    Zitternd wischte er sich den Schweiß von der Stirn und beugte sich vor. Er achtete darauf, nicht in seiner Konzentration nachzulassen, dieser unerwarteten Wendung nicht allzu großes Vertrauen zu schenken. Bliss, der starr in seinem Drahtgefängnis hing, starrte ergeben in die Ferne, als Caffery ihn rasch und präzise inspizierte, den Blick über die Stachelreihen gleiten ließ und abschätzte, was schmerzte, warum es schmerzte und welche Hebelwirkung er ausnutzen könnte. Er stellte unzählige kleine Wunden fest, die geringfügig, aber schmerzhaft waren, bevor er das Wesentliche entdeckte: einen einzelnen Stachel, der sich tief in Bliss’ Hals gebohrt hatte. Noch trat kein Blut aus, aber das rosafarbene Fleisch, das sich darum erhob, pulsierte leicht. Die Halsschlagader – bereit, durchstoßen und angezapft zu werden.
    »Hier«, sagte er flüsternd zu Bliss und legte die Finger auf den Draht. »Hier habe ich dich.«
    Langsam drückte er den Draht nach unten und testete, wann der Schmerz einsetzte. Bliss atmete durch die Nase ein und ließ das kindische Spiel über sich ergehen. Geduldig schloß er die Augen, als müsse er keinen Schmerz ertragen, sondern nur eine Erniedrigung, die ein infantiler Quälgeist

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