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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Boden drückte. Einer von Bliss’ Armen war auf den Rücken gedreht. Seine Augenlider waren krampfhaft aufgerissen und zeigten die rosafarbenen Augenwinkel. Ein kurzes Stück entfernt davon rotierte die Elektrosäge wie ein müder Hund, der mit dem Schwanz wedelte.

    »Mein Gott , – Paul.«
    Essex sah auf. »Er sagt, er hat sie umgebracht, Jack.«
    »Halten Sie ihn fest.« Vorsichtig ging Caffery auf die beiden zu. »Bleiben Sie ruhig. Halten Sie ihn!«
    Aber Diamonds Arm schoß vor und packte ihn am Ellbogen. »Ich konnte nichts machen, ich konnte nicht; sehen Sie …« Er streckte die Hand vor. »Sehen Sie das Blut, sehen Sie die Farbe?« Sein bleicher Mund bebte. »Es ist zu rot. Er hat zu tief reingeschnitten.«
    »Diamond.« Caffery drehte sich zu ihm um. »Habe ich Sie nicht gewarnt?«
    Ohne nachzudenken oder im Gehen innezuhalten, brach er Diamonds hübsche kleine Nase an zwei Stellen.
    Diamond ging brüllend zu Boden und preßte sich die Hände aufs Gesicht. »Warum zum Henker haben Sie das getan? Warum, verdammt? « Zwanzig Meter weiter entfernt erkannte Bliss seine Chance.
    Er zog die Elektrosäge zu sich heran und drückte mit einem schnellen, behenden Ruck Essex’ rechten Arm auf sie hinunter. Essex schrie brüllend auf.
    Caffery sprang nach vorn. »PAUL!« Aber Bliss war schnell.
    Blinzelnd und ganz auf seine schwierige Operation konzentriert, rollte er unter dem schreienden Mann und dem hellen Blutstrahl hinweg und erwischte Essex’ andere Hand. Bevor Jack die Entfernung überwunden hatte, war Bliss auf den Beinen und schoß, über und über mit Essex’ Blut bespritzt, wie der Blitz davon. Er schwankte, glitt auf den nassen Blättern aus, rappelte sich hoch, fand das Gleichgewicht wieder und rannte mit heftig pumpenden Armen aus dem Wald hinaus.
    »Paul?« Jack warf sich auf Essex und preßte sein Gesicht gegen dessen kalte Wange. »Hat er beide Arme erwischt?«
    Essex nickte, seine Augen verdrehten sich vor Schmerz.
    »Diamond! Los.« Jack sprang auf, packte Diamond hinten am Jackett und zerrte ihn zu Essex hinüber. »LOS! Geben Sie mir Ihre Hände!«

    »Lassen Sie mich los, verdammt.«
    »Geben Sie mir Ihre Hände! Legen Sie sie hierhin.« Er riß Diamonds Finger von dessen blutender Nase und preßte sie auf die großen Armarterien in Essex’ Achselhöhlen. »Drücken Sie zu. Fester.« Er riß sich das Jackett und die Krawatte herunter und verband damit die Wunden am Handgelenk. Caffery hakte sein Funkgerät aus und warf es Diamond vor die Füße. »Binden Sie die Arterien ab, und holen Sie dann Hilfe.«
    Diamond sah ihn mit blutunterlaufenen Augen an. »Sie Mistkerl.«
    »Haben Sie gehört!« Er stand auf, packte Diamonds Ohr und zog seinen Kopf hoch. »Haben Sie mich gehört?«
    »Schon gut. Schon gut. Lassen Sie mich los.«
    »Machen Sie schon.« Jack stieß ihn weg und setzte Bliss nach.
     
    Er war etwa hundert Meter entfernt. An der Stelle, wo der Wald sehr dicht zu werden begann, entdeckte er ein rosa und weißes flatterndes Wesen, das durch den Regen eilte. Es war schnell. Aber Caffery war leichter. Stärker und flinker. Er rannte durchs Unterholz und hörte nur seinen Atem und den Regen, der von den Ästen über ihm tropfte.
    Er rief nicht. Das hätte zuviel Kraft gekostet. Schlamm und Blätter spritzten hinter ihm auf, und er hatte ihn fast eingeholt. Bald konnte er Bliss’ Atem hören und die kurzen Arme flattern sehen.
    Mist! Er sah den schwarzen Teerbelag der kleinen Küstenstraße durch die Bäume aufblitzen. Das ist eine öffentliche Straße – warum ist sie nicht abgesperrt worden? Wo sind die hiesigen Polizeikräfte? Die TSG? Entlang der Hecken sollte es vor Unterstützungsmannschaften wimmeln.
    Vor ihm tauchte Bliss plötzlich unter einem niedrigen Ast hinweg, er schoß durch das tropfende Blattwerk und kletterte einen Graben hinunter. Rutschend glitt er die Böschung hinab und wurde immer schneller, bis er unten auf den Stacheldrahtzaun traf.

     
    Essex lag auf der Seite, das Gesicht in den Blättern, die Kinnlade schlaff herunterhängend. Er wußte, daß er nicht mehr lang bei Bewußtsein bleiben würde.
    Seltsam, seltsam, daß es im Juni so kalt war …
    Er schaute auf seine Hände hinab, die vor ihm schlaff auf dem Boden lagen, als gehörten sie jemand anderem. Diamond machte sich an ihnen zu schaffen, er bastelte Kompressen aus dem zerissenen Jackett, verband die Schweinerei, die Bliss angerichtet hatte, und hielt von Zeit zu Zeit inne, um seine blutigen Finger zu

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