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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Drehen Sie sich um.«
    »Wo?«
    Fiona leuchtete mit der Taschenlampe auf die Schwingtüren und an die Küchendecke.
    Maddox hielt den Atem an. »O Gott.«
    Sie hing mit dem Kopf nach unten in der Küche. Sie war nackt, abgesehen von der Klarsichtfolie, die um Kopf und Schultern geschlungen war. Ein dünner Streifen Tageslicht fiel auf ihre Schenkel.
    Fiona legte die Hand auf Cafferys Arm. »Ein Fall für die Rechtsmedizin, Sir.«
    »Nein.« Er trat in den Raum.
    »Jack«, sagte Maddox warnend. »Jack. Wir brauchen hier zuerst die Gerichtsmediziner. Jack! «
    Caffery ging langsam durch das Zimmer, und die großen Muskeln im oberen Teil seiner Brust zogen sich zusammen; instinktiv wehrte sich sein Körper gegen die Reaktion. Das Linoleum am Boden war klebrig. Seine Zehen stießen gegen die metallene Bodenleiste, er blieb stehen und drückte seine Hände auf die Schwingtür.
    Die groteske Figur drehte sich leicht, als wäre sie von einer Brise angestoßen worden. Rebeccas Gesicht unter der Folie war eingedrückt und verschwollen.
    Langsam, ganz vorsichtig, erlaubte sich Caffery zu atmen.
    Deine Einbildungskraft ist nicht so großartig, wie du geglaubt hast, Jack. Du hättest dir das nie ausdenken können. Und du hast wirklich geglaubt, du wolltest Ewan finden. Du hast wirklich geglaubt, du wolltest es sehen.

    Ein einzelner Tropfen fiel von Rebeccas Nase aus einer Falte in der Folie herab.
    »Becky?« Die Träne fiel auf das Linoleum. »Becky?«
    Eine Vene an ihrem Hals zuckte.

53. KAPITEL
    R ebecca wurde im Allgemeinen Krankenhaus von Lewisham behandelt. Caffery hatte sich geweigert, sie zum St. Dunstan bringen zu lassen. Es wurden Computertomographien, Angiographien und Bluttransfusionen durchgeführt. Vierundneunzig Stunden vergingen, bevor die Ärzte sicher waren, daß sie am Leben bleiben würde. Sobald er die Nachricht bekommen hatte, fällte Jack die Entscheidung, über die er lange nachgegrübelt hatte. Er spielte Gott und Geschworenenversammlung, wog das Urteil vor seinem persönlichen Gerichtshof ab und beschloß, vollkommen ruhig, die Tötung von Bliss nicht zu gestehen.
    Vier Tage lang hatte er überlegt, welche Möglichkeiten für ihn bestanden: Diziplinarverfahren, Anhörungen, interne Nachforschungen. Eine Entlassung wegen kriminellen Verhaltens und anschließend ein unabhängiges Verfahren. Dies alles wog er gegen die Möglichkeit ab, die Sache auf sich beruhen zu lassen, die Welt weiterhin im Glauben zu lassen, daß Bliss bei einem Unfall gestorben war, bevor man ihn hatte festnehmen können.
    Während der Untersuchung von Bliss’ Todesursache log Caffery mühelos und hielt dem Blick des Leichenbeschauers stand, während er eine glatte Reihe von Unwahrheiten ablieferte.
    Komisch, wie ruhig du bist – ist das alles, was man können muß? Ist es wirklich so einfach, zu lügen und Glauben geschenkt zu bekommen?
    Aber, so bruchlos er sich den Wandel auch vorgestellt hatte,
Rebecca ließ sich nicht täuschen. Sie sah sofort, daß er etwas Neues mit sich herumtrug. Sie hatte am ersten Tag, nachdem sie das Bewußtsein wiedererlangt hatte, sein Gesicht berührt und einfach gefragt: »Was?«
    Er hatte ihre Hand an den Mund gezogen und sie geküßt. »Wenn du wieder gesund bist«, murmelte er. »Sobald du gesund bist, das verspreche ich.«
    Aber es ging langsam; sie brauchte noch drei weitere Bluttransfusionen, bevor sie außer Gefahr war, und zehn Tage später war sie zu schwach, um ihn zum Begräbnis zu begleiten. Also fuhr er allein zu der kleinen Kirche in Suffolk hinaus, saß eingezwängt in einer kalten Bank neben Marilyn Kryotos, und fühlte sich unbehaglich in seinem geliehenen Anzug.
    Zwei Reihen vor ihm saß trockenen Auges Essex’ Mutter, sie war zu verwirrt, um zu weinen; auf ihrem Hutschleier zitterten winzige Schmetterlingsschleifen. Peinlich berührt, hatte Caffery bemerkt, wie ausgewogen Essex’ Züge zwischen ihr und ihrem Mann verteilt waren, als wäre es fast schändlich, daß sich die beiden hier zwischen den Lilien im Kirchenschiff zeigten. Er fragte sich, ob er sein eigenes Gesicht in den Zügen seiner Eltern wiederfände, falls er sie jemals wiedersähe. Er fragte sich, was für einen Hut seine Mutter bei einer Beerdigung trüge, und bei der Erkenntnis, daß er nicht die leiseste Ahnung hatte, lief ihm eine Gänsehaut über die Arme.
    Die Lobgesänge begannen. Marilyn beugte sich neben ihm vor und stützte die Ellbogen auf die Gebetbank. Sie senkte den Kopf.
    »Mami?« Jenna, die

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