Der Vogelmann
Nerven am Ende, daß er sogar anfing zu beten.
Aber sie wollten ihn nicht einsperren, versicherte ihm Detective Diamond, es gebe keinerlei Verpflichtungen, nur ein paar Fragen, um ihn als Verdächtigen auszuschließen, und ob er je von Bürgerpflicht gehört habe. Und so zog er sein YSL-Sweatshirt an und war, äußerlich völlig gelassen, mitgegangen.
Red dich raus, red dich raus.
Auf dem Revier schienen alle ganz locker und umgänglich zu sein. Man hatte ihm Kaffee und Zigaretten gegeben und ihm versprochen, daß er seinen GTI bald wiederhaben könne. Jemand zeigte ihm noch einmal die vier Fotos, und obwohl er inzwischen schreckliche Angst hatte, zuckte er die Achseln.
»Nein. Hab’ sie nie gesehen.«
Und sie hatten gelächelt, »na schön« gesagt und gefragt, ob er bereit sei, sich Proben abnehmen zu lassen.
»Nur eine Formsache, um Sie auszuschließen, Mr. Henry; dann dürfen Sie gehen.«
Kopfhaar, mit Pinzetten ausgerissen. Schamhaar (die gleiche Prozedur). Urin: Der Arzt stand neben ihm in der Toilette und beobachtete, wie seine Pisse in einen weißen Plastikbecher plätscherte. Und dann, im Korridor auf dem Rückweg von der Toilette, legte Diamond die Hand leicht auf seinen Arm, während saurer Atem sein Gesicht streifte, und Diamonds blasse Augen zuckten, als könne er seine Erregung nicht mehr verbergen.
»Fühl dich bloß nicht zu sicher, du verdammter kleiner Heuchler«, flüsterte er, damit der Arzt es nicht hören konnte. »Wir wissen alle, daß du lügst.«
»Krempeln Sie Ihren Ärmel bitte hoch.«
»Was?« Gemini sah auf.
»Ihren Ärmel.« Der Arzt klappte den Verschluß eines Blutdruckmeßgurts
auf, ließ ihn wie eine Peitsche knallen und beugte sich vor, um ihn an Geminis Oberarm festzuschnallen.
»Was machen Sie jetzt?«
»Keine Sorge.« Der Arzt klopfte auf eine Vene in der Armbeuge, wischte die Haut mit einem antiseptischen Wattebausch ab, und die Kanüle drang ein. Gemini zuckte zusammen.
»Scheiße, Mann. Was soll’n das beweisen? Daß ich die Mädchen umgelegt hab’? Ha?«
Der Arzt sah ihn ungerührt an. »Sie können sich weigern, aber tatsächlich erlaubt uns das Gesetz, bei einer Verweigerung eine Samenprobe zu entnehmen, die als gültiger Beweis angesehen wird.«
»Was?«
»Und wenn Sie mich das Blut nicht abnehmen lassen, können wir Sie zwingen, eine Speichelprobe abzugeben, ob Sie damit einverstanden sind oder nicht.« Langsam zog er den Kolben zurück und der Vakuumbehälter begann sich zu füllen. »Halten Sie bitte still, Mr. Henry.«
Aber Gemini riß den Arm weg.
»Ne, Mann. Sie sagen mir zuerst, was Sie gegen mich in der Hand ham und wie die Pisse in dem Becher beweisen soll, daß ich das gemacht hab’, was Sie da behaupten.«
Der Gerichtsmediziner sah auf die Nadel, die in der Vene baumelte. »Sie haben eingewilligt, und Sie würden mir das Leben sehr erleichtern, wenn Sie stillhalten würden.«
»Also, jetzt hör’n Sie mal zu.« Er schlug die Hände auf den Tisch, daß die Muskeln auf der Innenseite seines Arms bebten. Der Gerichtsmediziner fuhr ein Stück mit seinem Stuhl zurück. Die Nadel zitterte, blieb aber in der großen Basilarvene stecken. »Ich zieh’ meine Einwilligung zurück. Ich hab’ dem Mann schon gesagt, ich hab’ ihm schon gesagt, daß ich diese Ladies nicht kenne. Ich hab’ rein gar nichts verbrochen.«
Der Gerichtsmediziner preßte die Lippen zusammen.
»Na schön, Mr. Henry.« Den Blick auf die Nadel gerichtet, erhob er sich und verließ den Raum, um Sekunden später in Begleitung
von Detective Diamond wiederzukommen, der in der offenen Tür stand und breit lächelte.
»Mr. Henry!«
»Sie.« Gemini zog vor Abscheu die Luft ein. »Warum quatschen Sie überall rum, daß ich Sie anlüge?«
»Sie lügen uns an. Diese Mädchen waren in Ihrem Wagen. Dafür gibt es gerichtsmedizinische Beweise.«
»Tsss! Lutsch deine Mutter.«
Diamond kniff die Augen ein wenig zusammen. Er wandte sich an einen Polizisten im Gang. »Holen Sie den Verwahrungsbeamten.«
»Das letzte Mal, wo ich das Mädchen gesehn hab’, war sie bei bester Gesundheit. Sie sollten mal die fetten Freier in dem Puff in Crooms Hill genauer unter die Lupe nehmen. Jetzt hol’n Sie das Ding aus meinem Arm.«
Mel Diamond verschränkte die Arme. »Jerry Henry …«
»Ich hab’ nichts getan –«
»Jerry Henry, ich verhafte Sie aufgrund des dringenden Verdachts, Shellene Craw aus Stepney Green, London, in der Nacht des 19. Mai vergewaltigt und ermordet zu
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