Der Vogelmann
wohnt er?«
Rebecca wirbelte auf dem Stuhl herum und machte mit dem Kopf ein Zeichen zum Fenster. »Drüben auf der Heide. In einem der großen Häuser auf der Seite von Crooms Hill.«
31. KAPITEL
S chon wieder ein Teller kaputt.« Veronica warf die Scherben in den Abfalleimer. »Ich glaube, ich verstecke Mums Gläser, bevor sie auch noch kaputtgehen.«
Caffery zog den Korken aus einer Flasche Sancerre, schnupperte daran und drehte ihn in den Fingern, um zu sehen, ob er zerbröselt war. Er hatte sich hierher zurückgezogen, um einen Augenblick Ruhe zu haben, und war nicht überrascht, daß Veronica im gleichen Moment in die Küche gekommen war. Sie zog eine Tupperwaredose aus dem Kühlschrank, und als sie feststellte, daß er ihr nicht antworten würde, knallte sie laut die Tür zu. »Weißt du, wer komisch ist?«
»Nein. Wer?«
»Ich will nicht unhöflich sein, Jack, aber Marilyn. Sie ist eine blöde Kuh. Ich hatte eine wirklich nette Unterhaltung mit ihrem Mann, er ist wirklich reizend, und dann kommt sie her und wird richtig gemein zu mir, richtig krätzig…«
Jack antwortete nicht. Er wußte genau, worauf Veronica hinauswollte. Sie hatte den ganzen Abend lang die Märtyrerin gespielt und war heldenhaft mit Tellern voller Crostini, gegrilltem Paprika und Tapenade durchs Haus gewandert, immer ein trauriges, tapferes Lächeln auf dem Gesicht. Aber eigentlich wollte sie nur Aufmerksamkeit erregen, nur ein bißchen Unruhe stiften, um den Abend perfekt zu machen.
»Du hörst mir nicht zu, oder?« Sie begann, Humus auszuschöpfen, und schlug den Löffel laut an den Schüsselrand. »Ich dachte, wir wären wenigstens noch Freunde, aber jetzt sieht es so aus, als könnten wir uns nicht einmal mehr unterhalten.«
»Ich gehe darauf nicht ein, Veronica.« Er warf den Korken in den Abfall und holte eine Flasche Médoc aus dem Schrank. Er hatte heute abend keine Kraft mehr für sie. Die Party selbst war ein Opfer, denn seine Zeit war kostbar. Maddox konnte nicht wissen, daß es sich hier um eine Beziehung handelte, die sich jenseits der guten Absichten des Chief Superintendent befand. »Ich werde mich nicht mit dir streiten, also bemüh dich nicht.«
»Gott.« Sie schüttelte resigniert den Kopf. »Du bist so kaputt, Jack. Du bist so verschlossen. Ich finde, du solltest dich deswegen behandeln lassen, wirklich.«
»Du bist betrunken.«
»Natürlich bin ich das nicht. Also ehrlich, wie absurd!« Sie knallte die Schüssel auf ein Tablett, und plötzlich wurde ihr Gesicht ruhig, als wäre absolut nichts geschehen. »Also dann.« Sie griff nach einer Serviette. »Wie steht’s mit dem Piper Heidsieck? Hast du die Flaschen aus dem Gefrierfach genommen, sie explodieren, wenn man sie eine Sekunde zu lange drinnen läßt.« Beiläufig lehnte sie sich zum Fenster hinüber, hob den Vorhang mit einem Finger und spähte hinaus, als suche sie nach etwas Unbestimmtem, und stieß ein mißbilligendes ts, ts aus. »Diese Kinder.« Sie ließ den Vorhang fallen. »Es ist doch schon zu spät für die Kinder. Das wird noch Ärger geben, verlaß dich drauf.«
Die Nacht war warm, und die Fenstertüren standen offen, aber vielleicht spürten die Gäste genauso wie die Sturmfliegen, die sich über der Halogenlampe auf der Veranda sammelten, daß es bald regnen würde: Nur die Kinder hielten sich im Garten auf. Die Erwachsenen standen in kleinen Grüppchen im Innern des Hauses, balancierten Teller und Gläser in den Händen und sahen gelegentlich auf, um ihre Spiegelbilder in den Fenstern zu überprüfen. Niemand sagte ein Wort über den Fall, auch dann nicht, wenn die Kinder außer Hörweite waren, als würde schon ein bloßes Flüstern Gift durch die Türen dringen lassen. Caffery, der in einer Hand den Sancerre, in der anderen den Médoc
hielt, wanderte durch den Raum, füllte Gläser nach und blieb stehen, um Marilyn zu erlauben, ihn mit einem Stückchen Nan-Brot zu füttern.
»Jack…« Sie sah schnell über die Schulter und senkte die Stimme zum Flüsterton. »Jack, Ihr Freund Cook. Haben Sie ihn immer noch im Visier? Ich frage bloß, weil Sie sich nicht mehr bei mir gemeldet haben.«
»Ach, Mist.« Er versuchte, sich mit dem Handrücken den Mund abzuwischen, ohne den Wein zu verschütten. »Mist, tut mir leid, Marilyn, mir ist was anderes dazwischengekommen. Ich hab’s vollkommen vergessen.«
»Er ist morgen um vierzehn Uhr ab Heathrow auf einer Maschine der Air India gebucht. Ich könnte mich für Sie an Thames Valley
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