Der Vogelmann
um alles in der Welt hat der alte Blödmann das geschafft?«
»Was?«
»Er ist verschwunden.«
Caffery drehte sich um. Im Garten war es plötzlich still.
Sie kicherte nervös. »Er muß gefressen worden sein.«
»Hm. Dann gibt’s eine schreckliche Schweinerei.«
»Ich weiß nicht, Jack.« Rot im Gesicht und grinsend war Maddox neben ihn getreten und streckte das Glas vor, um sich nachschenken zu lassen. »Ich glaube, sogar ein Monster würde Essex verschmähen.«
»Keine Sorge«, sagte Caffery seufzend. »Ich räum’ auf, was am Morgen noch übrig ist.«
»Nein, das müssen Sie nicht.« Maddox schüttelte den Kopf. »Lassen Sie es liegen. Rohes Schweinefleisch ist gut für die Rosen.«
»Das ist abscheulich«, sagte Marilyn.
Alle sahen in den stillen Garten hinaus und hörten nur das leise Rauschen der Trauerweide im Wind, der dem Gewitter voranging. Tatsächlich schien Essex verschwunden zu sein. Caffery starrte angestrengt in die dunklen Ecken und versuchte, den Trick herauszubekommen und zu verstehen, wie er sich so schnell versteckt haben konnte.
»Wo ist er?«
»Das Monsta hat ihn geholt.« Jenna begann, leise zu weinen.
»Sei nicht albern.«
Maddox warf Caffery mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu. Caffery zuckte die Achseln. »Sehen Sie nicht mich an.«
»Das Monsta hat ihn gefressen.«
»Lächerlich«, sagte Veronica leise, die auf die Veranda hinaustrat, um verwundert in den Garten zu sehen. »Es gibt keine Monster im Garten. Nicht wahr, Jack?«
Caffery stellte die Flaschen auf der Veranda ab und stieg langsam die Stufen zum Rasen hinunter. »Paul?« Still lagen die Blumenbeete da, und die kleinen Blüten der Clematis schienen in der Dunkelheit zu schweben. Er hob die Äste der Trauerweide und sah darunter. Über dem Bahndamm war es dunkler. Pendereckis Lichter brannten nicht.
»Dafür bringe ich ihn um.« Maddox war hinter Jack getreten.
»Dafür bringe ich dich um, Essex. Der Spaß ist vorbei. Sie ängstigen die Kinder …« Er blieb stehen.
»Was ist das?«
»Haben Sie das gehört?«
»Was?«
»Das?«
Etwas Dunkles wirbelte aus den Schatten auf sie zu. Maddox duckte sich instinktiv, und auf der Veranda schrie Dean auf. Caffery sprang schwer atmend zurück. »Jesus!« Und dann erkannte er in der ganzen Aufregung, daß es Essex war, der, mit schwingenden Armen, wie ein hüpfender Dschungelaffe, über den Rasen auf sie zugesprungen kam.
»Ki-ai, ki-ai.«
»Idiot.« Caffery schüttelte lachend den Kopf. »Sie. Sie sind ein toter Mann.«
Auf der Veranda brachen die Gäste in Kichern aus.
»Verdammter Irrer.« Maddox hob einen Finger. »Dafür werden Sie bezahlen.«
Essex war verletzt. »Ki-ai, ki-ai? Munen Mushin?«
»Wo haben Sie sich versteckt?«
Er strich sich übers Haar und schüttelte den Kopf. »Oh, sie haben mich einfach in einem Raumschiff entführt, wissen Sie.«
»Und sexuelle Experimente mit Ihnen durchgeführt, nehme ich an?«
»Wow, Ihnen ist das auch passiert? Unheimlich.« Er legte die Arme um Maddox und Caffery und führte sie zum Haus zurück. »Welches Jahr haben wir? Ist diese reizende Mrs. Thatcher noch an der Regierung?«
Im Wohnzimmer starrte Jenna Essex an und wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Rot vor Zorn, schlug Marilyn ihm auf den Bizeps. »Machen Sie das nicht noch einmal, Sie großes, Sie großes Walroß. « Sie lächelte, legte schützend die Hände über Jennas Ohren und neigte den Kopf zu Veronica hinüber. »Gott hat ihnen nicht genug Blut gegeben, um ihr Gehirn und ihre Pimmel zu versorgen. Und wenn sie versuchen, beides
gleichzeitig zu benutzen, oje!« Sie schüttelte bekümmert den Kopf. »Katastrophe ist kein Ausdruck dafür.«
»Das müssen Sie mir nicht sagen«, antwortete Veronica tonlos.
In den Räumen wurde es heißer und enger, da Regen aufzukommen drohte. Weitere Gäste trafen ein, und von dem Berg Baguette im Wohnzimmer waren nur noch Krümel übrig, das Eis in den Edelstahlkübeln schmolz, die Platten mit Käse und Chorizos waren geplündert und stehengelassen worden. Jemand hatte eine CD mit Strauß-Walzern gefunden, und Marilyn tanzte mit Essex und stieß kichernd mit Leuten zusammen. Immer wieder wurde der Raum von den blauen, metallischen Blitzen des Hitzegewitters erleuchtet.
Caffery stand mit seinem Weinglas in der Ecke und beobachtete Dean. Er war ungefähr im gleichen Alter wie Ewan damals. Für Dean hatte der Raum die gleichen Dimensionen, er barg die gleichen Ängste, und der Garten bot die
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