Der Vogelmann
Rückspiegel, bis er unten an der Biegung des Hügels einen grauen Sierra sehen konnte, der fast versteckt unter einer tropfenden Eiche parkte. Der Fahrer des Lieferwagens drehte sich nicht um. Er hob nur den Daumen und hielt ihn vor den Spiegel.
Er wartete, bis die beiden Männer in dem Sierra nickten, dann ließ er den Lieferwagen an und fuhr den Hügel hinauf.
In seinem ummauerten Garten nahm Harteveld nichts davon wahr. Er saß zurückgelehnt auf einer Steinbank und blinzelte mit blutunterlaufenen Augen in den Morgen. Neben ihm, in einem Beet aus Veilchen und Margeriten, lag eine leere Pastisflasche und ein Häufchen Zigarettenkippen. Er hatte die ganze Nacht hier gesessen, dem Sturm und den Sirenen der Polizeiwagen
gelauscht, die sich durch Greenwich verfolgten, keinen Schutz gesucht, sondern bewegungslos gewartet, während die Wolken anschwollen und zerrissen, ihren Regen in sein Gesicht schleuderten und das Gewirr der Wege in rauschende Bäume verwandelten. Das Wetterleuchten hatte die knochenweiße Kirchturmspitze blau verfärbt, und als der Morgen kam, hatten die Obstbäume Äste verloren, die Rasenflächen waren sumpfig, und die reizenden Irisblüten entlang der westlichen Mauer lagen erschöpft und plattgedrückt am Boden. Die Türen der Orangerie standen weit offen, und die Seiten der Times, die der Wind vom Wohnzimmerboden herausgeweht hatte, lagen in der Orangerie und auf der Veranda verstreut. In den Ästen der libanesischen Zeder hing Kayleigh Hatchs Gesicht.
Nun, da die Schatten in den Gärten verblichen und die Morgensonne die regengetränkten Spinnweben in den Rotbuchen trocknete, begann Harteveld sich zu rühren.
Im Sierra wandte sich Betts um und sah Logan an. Irgendwo in der kleinen Straße neben Hartevelds Haus war ein Wagen gestartet worden, und ein grünes Auto, ein äußerst eleganter klassischer Wagen, kam auf die Straße herausgefahren. Er bog nach links in Richtung Crooms Hill ab und fuhr in den strahlenden Morgen hinaus.
Betts Mund zuckte ein wenig, als er nach der Zündung griff.
Fünf Meilen entfernt, im Hauptquartier von Shrivemoor, klingelte Cafferys Telefon.
»Detective Inspector Caffery? Hier spricht Jane Amedure. Ihre Kollegin aus dem Forensischen Institut. Ich habe zwei schwarze Abfallsäcke mit Inhalt erhalten, an dem ich ähnliche Tests durchführen kann, wie sie nach der Obduktion unternommen wurden; die Ergebnisse könnte ich etwas später im Lauf des Tages liefern.« Sie räusperte sich. »Und, ähm, heute morgen habe ich von Detective Sergeant Essex noch etwas anderes bekommen.«
»Ja«, sagte Caffery teilnahmslos. Er war erschöpft. »Das war etwas Persönliches. Von mir.«
»Ich weiß, Detective Sergeant Essex hat mich informiert. Wenn es sich nur darum handelt, kann ich es unter Operation Walworth einschmuggeln.«
»Nett von Ihnen.«
»Ja, nun, ich habe von der Geschichte gehört.«
»Wissen Sie schon Genaueres?«
»Auf den ersten Blick nicht, die Knochen sind alt und sehr fragmentiert. Wenn sich herausstellt, daß es sich um menschliche Knochen handelt, mache ich eine Mitochondrial-Analyse, deshalb müßte ich wissen, ob Ihre Mutter noch lebt. Hallo?«
»Ja, hallo.«
»Ich habe gefragt, ob Ihre Mutter noch lebt, oder einer ihrer Verwandten?«
»Ja, sie … Glauben Sie, daß es sich um menschliche Knochen handelt?«
»Das kann ich Ihnen mit Sicherheit erst im Lauf des Tages sagen, vielleicht erst morgen.«
»Danke, Dr. Amedure. Vielen Dank.«
Er legte auf, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte einige Minuten aus dem Fenster. Er spürte einen dumpfen Schmerz zwischen den Augen. Er war um vier Uhr morgens zu Bett gegangen. Nach Betts Rückkehr hatten sie eine Stunde gearbeitet: Während Veronica die Kelche ihrer Mutter einwickelte und sie in zwei Teekisten verstaute, schloß sich Essex im Wohnzimmer ein und beschilderte und verpackte die Knochen so sorgfältig, als handele es sich um Cafferys persönliche Kostbarkeiten. Am nächsten Morgen um zehn Uhr, gerade als Geminis Haftverlängerung begann, hatten alle in Shrivemoor von der Geschichte gehört, alle wußten über Ewan und Penderecki Bescheid und verstanden Caffery ein bißchen besser. Die Frauen im Einsatzbesprechungsraum sahen ihn mit anderen Augen an, wie er meinte, mit einem Blick, als hätten sie
Angst. Wenn er das zuließe, wäre er erledigt, bevor Jane Amedure ihm schließlich die Ergebnisse mitteilte.
»Haben Sie eine Minute Zeit?« Maddox stand in der Tür. »Besuch
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