Der Vollstrecker
werde mir eine nehmen.«
Hunter und der Captain drehten sich um. Dr. Jonathan Winston war hinter ihnen aufgetaucht. Der Leiter der Rechtsmedizin von Los Angeles war Anfang sechzig und trug an diesem Abend einen teuer aussehenden italienischen Anzug aus dunkler Wolle mit weiÃem Hemd und klassischer dunkelblauer Krawatte.
»Jonathan!«, rief Captain Bolter und zog sogleich eine zweite Zigarre aus der Tasche, die er an den Arzt weiterreichte.
»Sie sehen aus, als kämen Sie gerade aus der Kirche, Doc«, meinte Hunter schmunzelnd mit Blick auf dessen Anzug.
Dr. Winston steckte sich die Zigarre an, paffte genüsslich ein paar Mal und stieà den Rauch in kleinen Wölkchen wieder aus. »Das könnte man von Ihnen wohl eher behaupten, möchte ich meinen.«
Schlagartig war Hunters Lächeln verschwunden.
»Ich habe schon von der Sache gehört«, sagte der Captain in ahnungsvollem Ton. Dann sah er Hunter scharf an. »Das Gesicht kenne ich. Sie glauben nicht, dass es sich um einen stinknormalen Mord handelt, stimmtâs?«
Robert schüttelte den Kopf.
»Was ist das Motiv? Religiös motivierter Hass?«
»Wir wissen es noch nicht. Es gibt einige Anzeichen, die auf ein religiöses Motiv hindeuten, oder auf einen religiösen Psychopathen, aber es ist noch viel zu früh, um irgendwas Genaues zu sagen.«
»Was haben Sie denn bis jetzt?«
»Im Augenblick wissen wir nur eins mit Sicherheit, nämlich dass der Täter mit äuÃerster Brutalität vorgegangen ist. Möglicherweise handelt es sich um einen Ritualmord.«
Hunter zögerte kurz, was Captain Bolter nicht entging. »Robert, ich kenne Sie. Sie beschäftigt doch noch was anderes.«
Hunter nahm einen Schluck von seinem Scotch und atmete einmal tief ein. »Sie haben miteinander gesprochen.«
»Wer hat miteinander gesprochen? Der Priester und sein Mörder?«
Hunter nickte.
»Woher wissen Sie das?«, warf der Doktor ein.
»Die Leiche wurde wenige Schritte vom Beichtstuhl entfernt gefunden. Beide Türen des Beichtstuhls standen offen, ebenso wie das kleine Fenster in der Trennwand zwischen den beiden Innenräumen.« Er hielt einen Moment lang inne. »In der katholischen Kirche ist es so: Wenn der Beichtende mit seinem Bekenntnis fertig ist und man ihm die Absolution erteilt hat, schlieÃt der Priester das Fenster, sozusagen als Symbol dafür, dass mit den Sünden abgeschlossen wurde.«
»Sind Sie katholisch?«, erkundigte sich Dr. Winston.
»Nein, ich lese bloà viel.«
Captain Bolter lieà seine Zigarre vom linken in den rechten Mundwinkel wandern. »Sie glauben also, dass der Mörder gebeichtet hat, bevor er â¦Â« Er schüttelte den Kopf und gab Hunter so die Gelegenheit, den Satz zu vollenden.
»Den Priester aus der Kabine geschleift und ihn enthauptet hat.«
Der Captain legte den Kopf in den Nacken und stieà einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Vergib mir, Vater, denn ich werde Ihnen gleich den Kopf abschlagen.«
»So in der Art.«
»Wir alle wissen, was das bedeutet«, sagte der Doktor, bevor er seelenruhig einen weiteren Zug von seiner Zigarre nahm.
»Dass dies hier erst der Anfang ist«, brummte Captain Bolter. »Und wenn wir den Täter nicht bald schnappen, wird es ein weiteres Opfer geben.«
14
D er Wind hatte aufgefrischt, und Dr. Winston klappte den Kragen seines Jacketts hoch, bevor er den Captain belustigt ansah. »Wir?«
»Er hat recht, Captain.« Hunter schmunzelte. »Ab heute um Mitternacht sind Sie offiziell im Ruhestand. Sie haben mit alldem nichts mehr zu tun.«
»Eure Arbeit hier ist beendet, mein Freund«, intonierte Dr. Winston mit Darth-Vader-Stimme.
»Ist doch bestimmt ein gutes Gefühl, oder?«
Der Captain quittierte die Frage mit einem etwas windschiefen Lächeln. »Bloà alte Gewohnheit. Ich habe dem LAPD fünfzig Jahre meines Lebens geschenkt, das kann man nicht einfach so über Nacht abschütteln. Aber ich werde dran arbeiten.«
Hunter merkte sofort, dass der Captain nur ihnen zuliebe gute Miene machte. In Wirklichkeit war er traurig, dass er gehen musste.
»Und was werden Sie mit Ihrer Zeit anfangen, wenn Sie keine Verbrecher mehr jagen müssen?«, fragte Dr. Winston.
»Beth will, dass wir umziehen.«
»Wirklich? Wohin?«
»Irgendwohin, Hauptsache weg von hier. Sie hat die Nase voll von
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