Der Vollzeitmann
rauchte. Er hasste den Zigarettenqualm in der Wohnung. Camille hatte sich herausgeputzt wie jeden Morgen: High Heels, um ihre langen strammen Beine noch ein wenig besser zu betonen, die weiße Bluse, die so artig aussah und doch verrucht dekolletiert war. Die vollen roten Lippen. Attila war stolz auf seine Frau - sie war seine, ganz allein seine; er hatte viel Geld und Zeit in diese Frau investiert.
Und es war eine gute Geldanlage gewesen. Eine Frau, die
im Elend der Tundra aufgewachsen war, die hatte vor lauter Überlebenskampf überhaupt keine Zeit für Emanzipation. Camille war völlig unverdorben von jeglichen Geschlechterdebatten. Diese Gender-Idioten, die jetzt überall die Gesetze machten, wollten den Unterschied zwischen Mann und Frau einfach wegregeln. Andersherum wurde eine Lösung daraus: Man musste den Unterschied betonen und wertschätzen. Kinderkriegen war eine verdienstvolle volkswirtschaftliche Leistung; man musste einen Lehrberuf daraus machen. Jede Mutter brauchte Ausbildung, Bezahlung, Rentenanspruch für eine Art von öffentlichem Dienst. Schlagartig würde der Status der Gebärenden steigen, die Mutter wäre leitende Angestellte des Gemeinwesens. Attila dachte nach: Hatte es nicht schon einmal ähnliche Ideen gegeben? Egal, man konnte es ja anders formulieren. Gleichheit war jedenfalls nicht die Lösung, wenn sogar das Gebären schon wegorganisiert wurde. Die moderne Frau arbeitete bis zum achten Monat, hatte dann vier Wochen lang ein schlechtes Gewissen, weil sie unproduktiv herumlag, entband vor lauter Perfektionspanik zu früh, war aber nach vierzehn Tagen wieder im Büro. Kein Wunder, dass die Kinder allesamt einen Schaden davontrugen. Wenn man mal ökonomisch an die Sache heranging, stellte sich sofort heraus, dass es Irrsinn war, die Aufgabentrennung von Mann und Frau aufzuheben. Überall schritt die Spezialisierung fort, nur bei der Produktion von neuen Steuer- und Rentenzahlern sollten plötzlich alle alles können: Karriere machen, Geld verdienen, wickeln, vorsorgen, Früh-Mandarin, Autorität und Pekip.
»Diese Gender-Idioten, die jetzt überall die Gesetze machten, wollten den Unterschied zwischen Mann und Frau einfach wegregeln. Andersherum wurde eine Lösung daraus: Man musste den Unterschied betonen und wertschätzen.«
Wurde die Qualität der Aufzucht besser? Die Zufriedenheit aller Beteiligten höher? Weder noch. Was wuchs, war der Stress.
Camille war da ganz anders. Arbeit bedeutete ihr nichts. Karriere schon gar nicht. Sie hatte doch ihn. Sie würde eine gute Mutter sein, eine perfekte Gattin, eine Bereicherung. Sie würde einer modernen arbeitsteiligen Familien-Organisation nicht im Wege stehen.
Attila fühlte sich ausgedörrt wie eine Backpflaume. Die doppelte Dosis Abführmittel war wohl doch etwas reichlich gewesen. Seine Magenschleimhaut blutete offenbar an mehreren Stellen, der Darmausgang brannte wie nach einem Habanero-Dinner. Mit letzter Beherrschung hatte er vermeiden können, sich in die Badewanne zu übergeben. Klarer Nachteil eines großen Badezimmers, hatte Attila gedacht: Die Behältnisse sind nicht in Kotzweite angebracht, wenn man auf der Schüssel hockt.
Außerdem fehlte neben dem Klo eine Ablagefläche für den Blackberry . Ihn nervte schon, dass er Camilles Frauenzeitschriften, die er sich gern als Lektüre mitnahm, immer auf den Kachelboden legen musste.
Weil er natürlich im Stehen pinkelte, waren die Fliesen rund ums Klo mit einem Mikrofilm von Urintropfen gesprenkelt. Lustige Vorstellung: Das Papier einer Frauenzeitschrift saugte eine Menge Männerpisse auf. Roch eine Frau, die ja nachweislich über eine feinere Nase verfügte,
einen Hauch ungezähmten Mann, wenn sie mit derselben Zeitschrift wenig später auf dem Wohnzimmersofa lag? Wurde sie womöglich unterbewusst erregt, auf eine archaische Art und Weise? Weil sie Reviermarkierung roch? War sie dadurch paarungs- oder besser noch kaufbereiter? Sollte man in Frauen-Boutiquen statt Parfüm-Düsen künftig Männerurin-Zerstäuber installieren, in verschiedenen Nuancen, um die weibliche Kundschaft zu mehr Leichtsinn beim Shopping zu bewegen? Attila würde die Idee weiterverfolgen; vielleicht hatte er soeben die Welt des Einkaufs revolutioniert.
Sein Magen rebellierte schon wieder.Attila stürzte aus dem Bett ins Bad. Er hatte das Gefühl, schon auf dem Weg auszulaufen. Mit Impotenz könnte er leben; aber Inkontinenz war wirklich keine schöne Sache. Zum ersten Mal freute er sich, der immensen
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