Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
durchnudelte, noch bevor sie ihre erste Essensmarke für die Kantine in der Hand hielt, war für ein Team nur bedingt geeignet.
    Manchmal hatte Lars das Gefühl, dass alle ihn hassten. Die Männer, weil er ihnen zeigte, wie’s ging. Und die Frauen, weil sie sich benutzt vorkamen - natürlich völliger Quatsch, schließlich waren alle volljährig. Und ein One-Night-Stand war immer ein Geschäft auf Gegenseitigkeit ohne nachfolgende Ansprüche. Dieser Amore-Kram ging ihm gehörig auf die Nerven. Liebe? Die empfand Lars zu seinem Auto, zu seinem Körper und zur Full-Moon-Party auf Ko Phanghan: Sommer, Drogen, Meer und Mädchen, dazu perfekte Musik.
    Der dritte wichtige Punkt war das Gespräch mit dem Chef. Gut, dass Lars heute Morgen bei seinem Problemkunden die Zusage über eine Vertragsverlängerung reingeholt hatte, nicht schriftlich, aber immerhin so eindeutig, dass er damit vor den Chef treten konnte. Lars wusste: Der Chef
hatte ein Problem - sein weiches Herz. Ganz schlecht für einen echten Kerl.

13 UHR

    Tetris war ein wunderbares Spiel. Hatte genau den Grad an Stumpfheit, den Lars tagsüber brauchte, um sich mental auf das Personalgespräch vorzubereiten und auf die nächste Nacht. Katharina hatte gesmst und endlich Rita - beide langjährige Körperbeziehungen, die sich immer mal wieder meldeten, wenn ihnen nach einem unkomplizierten Abend war. Rita wollte immer noch ausgehen vorher, Kino, Essen, Drinks. Katharina strebte dagegen ohne Umwege zum Ziel: anhauen, umhauen, reinhauen, abhauen. Lars mochte ihre provozierend versauten SMS. »Kannst Du noch?«, hatte sie gefragt. »Für Dich reicht’s immer«, hatte er geantwortet. »Ich will eine Stunde rundum«, hatte sie bestellt. »Warum nur Vorspeise?«, hatte er geprahlt.
    Zum ersten Mal seit Jahren fürchtete Lars sich vor dem Personalgespräch. Die angekündigte Umstrukturierung bedeutete nichts Gutes. Dieser eiskalte Heini von der Unternehmensberatung, der ihm letzte Woche ein paar Stunden auf die Finger geschaut und völlig merkwürdige Fragen gestellt hatte, bekam seinen unverschämten Tagessatz ja nicht dafür, dass er Jobs erhielt.
    Lars hatte sich vielleicht doch ein wenig zu lange auf seinen Ruf als Vertriebsgott verlassen. Mit neunzehn hatte er schon seine eigene Drückerkolonne angeführt. »Eine jugendliche Legende« hatte ihn das Fachblatt »Der Vertrieb« genannt und ihm zwei Seiten gewidmet, mit Fotos.
    Früher war er Weltklasse, dann eine ganze Weile supergut, aber jetzt war er nur noch da. Zum ersten Mal hatte er letztes Jahr seinen Bonus nicht erreicht. War auch ein beschissenes
Jahr. Aber die anderen hatten den Bonus trotzdem eingefahren. Manchmal fühlte er sich wie Ernie bei »Stromberg«. Andererseits: Die würden ihn nicht feuern können; nicht mit seiner Erfahrung, seinen Kontakten, all seinen Verdiensten in acht Jahren.
    Lars wurde die Angst nicht los. Eigentlich müsste er jetzt sofort zu Katharina. »Bist Du zu Hause?«, smste er. »Ab 19 h, dafür frisch gewachst«, schickte sie zurück. Er überflog seine Optionen und konterte: »Freu mich auf Hollywood … bis später!« Hollywood, das war das Codewort für das Komplett-Waxing, das sie bevorzugte und das ihn so anmachte.
    Lars würde sich diesem Mittagessen mit dem Chef nicht entziehen können. Wie sollte er seine Formschwäche erklären? In Wirklichkeit hatte er einfach keinen Bock mehr. Jedes Gespräch geführt, jeden Kunden bespaßt, jede Kollegin besprungen. Und heute Nachmittag schon wieder so eine überflüssige Bürofeier.
    Lars war zu müde, um zu schlafen. Er zog zu oft um die Häuser. Wie lange würde das noch gut gehen? Mit dem Grundgehalt allein sah es düster aus. Davon könnte er nie und nimmer eine Familie ernähren. Daran dachte er in letzter Zeit doch manchmal. Viel zu oft eigentlich. Wollte er das wirklich: schlecht sitzende Anzüge, Reihenhausinsasse, hyperaktive Kids, einer Frau beim Verfall zuschauen?
    »Wollte er das wirklich: schlecht sitzende Anzüge, Reihenhausinsasse, hyperaktive Kids, einer Frau beim Verfall zuschauen?«

    Der Chef rief an. Ob er so weit sei. »Klar«, sagte Lars. Ob italienisch okay sei? »Klar«, sagte Lars. Also dann in fünf Minuten unten. Lars nickte in den Hörer. War das das Leben, von dem er geträumt hatte?

    Jochen hatte lange überlegt, ob er noch zum Baumarkt gehen sollte. Er hätte Bretti ja gern einen Eimer Wandfarbe vor die Zimmertür gestellt. Einfach so, als Zeichen, wie egal ihm der Auszug seines ehemaligen besten

Weitere Kostenlose Bücher