Der Wachsblumenstrauß
Unwille nicht so groß war wie Janets, hielt er diesen Parvenü, diesen Ausländer, doch für die Personifizierung des Menetekels. Wo sollte das bloß alles enden?!
Er legte das Leder beiseite, mit dem er gerade liebevoll die versilberte Teekanne poliert hatte, und richtete sich auf.
»Ja, Sir?«, sagte er höflich.
Poirot ließ sich betulich auf einem Schemel nieder.
»Mrs Abernethie hat mir gesagt, Sie hätten gehofft, in das Pförtnerhaus beim nördlichen Tor zu ziehen, wenn Sie Ihren Dienst hier quittierten?«
»In der Tat, Sir. Aber natürlich ist jetzt alles anders. Sobald das Haus verkauft ist…«
Poirot unterbrach ihn. »Die Möglichkeit bestünde eventuell immer noch. Für die Gärtner gibt es ja die Cottages. Das Pförtnerhaus wird für die Gäste und das Personal nicht benötigt werden. Es wäre denkbar, zu einer Vereinbarung der einen oder anderen Art zu kommen.«
»Vielen Dank, Sir, für das Anerbieten. Aber ich glaube kaum… Die Mehrzahl der… Gäste wären Ausländer, nicht wahr?«
»Ja, es werden Ausländer sein. Unter den Menschen, die vom Kontinent nach England geflohen sind, sind einige sehr alt und gebrechlich. Sie haben in ihrer Heimat keine Zukunft, verstehen Sie, denn all ihre Verwandten sind dort umgekommen. Es ist ihnen nicht möglich, hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wie tatkräftige Männer und Frauen es tun könnten. Gelder sind gesammelt worden und werden von der Organisation, die ich vertrete, verwaltet, um auf dem Land Wohnheime für sie zu errichten. Meines Erachtens eignet sich dieses Anwesen sehr gut für einen solchen Zweck. Der Verkauf ist so gut wie abgeschlossen.«
Lanscombe seufzte. »Sie werden verstehen, dass es für mich traurig ist zu wissen, dass Enderby kein Privathaus mehr sein wird, Sir. Aber ich weiß, die Zeiten haben sich geändert. Aus der Familie könnte niemand es sich leisten hier zu leben – und ich glaube, die jungen Herrschaften würden es auch gar nicht wollen. Personal ist heute schwer zu finden, und wenn doch, ist es teuer und nicht zufriedenstellend. Mir ist durchaus bewusst, dass diese schönen alten Herrenhäuser sich überlebt haben.« Lanscombe seufzte wieder. »Wenn es denn eine… eine Institution sein muss, dann freue ich mich, dass es eine der Art ist, von der Sie sprechen. Wir hier in England sind verschont worden, Sir, dank unserer Marine und der Air Force und unserer tapferen jungen Männer, und wir haben das Glück, auf einer Insel zu leben. Wenn Hitler hier gelandet wäre, hätten wir alle zu den Waffen gegriffen und ihn verjagt. Meine Augen sind nicht mehr so gut, als dass ich schießen könnte, aber ich hätte eine Mistgabel nehmen können, Sir, und das hätte ich auch getan, wenn es dazu gekommen wäre. Wir haben die vom Unglück Verfolgten immer bereitwillig in unserem Land aufgenommen, Sir, und darauf sind wir stolz. Sie werden auch in Zukunft hier Zuflucht finden.«
»Danke, Lanscombe«, sagte Poirot leise. »Der Tod Ihres gnädigen Herrn muss ein schwerer Schlag für Sie gewesen sein.«
»In der Tat, Sir. Ich kannte ihn schon, als er noch ein sehr junger Mann war. Ich habe großes Glück im Leben gehabt, Sir. Es hätte keinen besseren gnädigen Herrn geben können.«
»Ich habe mich mit meinem Freund und… äh… Kollegen Dr. Larraby unterhalten. Wir haben uns gefragt, ob Ihr gnädiger Herr am Tag vor seinem Tod vielleicht besonders bekümmert war – aufgrund eines unerfreulichen Gesprächs möglicherweise? Wissen Sie noch, ob er an dem Tag Besuch bekam?«
»Ich glaube nicht, Sir. Ich kann mich an niemanden erinnern.«
»Niemand ist ins Haus gekommen?«
»Der Vikar war am Tag zuvor zum Tee hier. Sonst haben ein paar Nonnen um eine Spende gebeten – und ein junger Mann kam zum rückwärtigen Eingang und wollte Marjorie Bürsten und Topfreiniger verkaufen. Er war sehr hartnäckig. Sonst niemand.«
Auf Lanscombes Gesicht war ein besorgter Ausdruck erschienen. Poirot drang nicht weiter in ihn. Alles, was Lanscombe wusste, hatte er bereits Mr Entwhistle erzählt. Gegenüber Hercule Poirot würde er weitaus weniger vertrauensselig sein.
Bei Marjorie hingegen hatte Poirot sofort Erfolg gehabt. Marjorie war die Zurückhaltung des treu ergebenen Personals fremd. Sie war eine erstklassige Köchin, und der Weg zu ihrem Herzen ging durch ihre Kochkünste. Poirot hatte sie in ihrer Küche aufgesucht und bestimmte Gerichte mit Sachverstand gerühmt, so dass Marjorie ihn sofort als Seelenverwandten erkannte, der wusste,
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