Der Wachsblumenstrauß
gutmütig. Als Familienvorstand ist es meine Pflicht, bei dem Treffen anwesend zu sein!«
Er wuchtete sich aus dem Sessel und ging mit forschen Schritten durchs Zimmer.
»Doch, das ist ein ausgezeichneter Plan. Schreib Helen und sag ihr, dass wir kommen. Dabei denke ich vor allem an dich, meine Liebe. Es wird eine nette Abwechslung für dich werden, und eine Erholung. In letzter Zeit hast du viel zu viel zu tun gehabt. Während wir weg sind, können die Handwerker das Haus fertig streichen und diese Gillespie kann hierbleiben und auf alles aufpassen.«
»Gilchrist«, sagte Maude.
Timothy machte eine wegwerfende Geste. »Das läuft doch aufs selbe hinaus«, murrte er.
II
»Das kann ich nicht«, sagte Miss Gilchrist.
Maude sah sie überrascht an.
Miss Gilchrist zitterte und sah Maude flehentlich in die Augen.
»Es ist dumm von mir, ich weiß… Aber ich kann’s einfach nicht. Nicht hier allein im Haus bleiben. Könnte nicht jemand kommen und… und auch hier schlafen?«
Hoffnungsvoll sah sie Maude an, aber die schüttelte nur den Kopf. Maude Abernethie wusste aus Erfahrung, wie schwer es war, in der Nachbarschaft jemanden zu finden, der im Haus wohnen wollte.
»Ich weiß, Sie halten mich sicher für ein Hasenherz«, fuhr Miss Gilchrist mit verzweifelter Stimme fort, »und ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich jemals so dumm sein würde. Ich war nie ängstlich und habe mir auch nie Sachen eingebildet. Aber jetzt ist alles anders. Ich hätte panische Angst – wirklich panische Angst –, allein hier zu bleiben.«
»Aber natürlich«, sagte Maude. »Es war dumm von mir, Ihnen den Vorschlag überhaupt zu machen nach dem, was in Lytchett St. Mary passiert ist.«
»Es ist völlig… völlig unlogisch, ich weiß. Und zuerst hatte ich das Gefühl ja auch gar nicht. Am Anfang hat es mir nichts ausgemacht, allein im Cottage zu bleiben. Die Angst ist erst allmählich gekommen. Sie halten mich bestimmt für sehr töricht, Mrs Abernethie, aber seitdem ich hier bin, habe ich… Angst. Nicht vor etwas Bestimmtem, einfach nur Angst… Es ist wirklich dumm von mir und ich schäme mich auch dafür. Es ist nur, irgendwie erwarte ich die ganze Zeit, dass etwas Schreckliches passiert… Sogar die Nonne, die an der Tür geklingelt hat, hat mich erschreckt. Ach Gott, ich bin wirklich verstört…«
»Das nennt man wohl eine verzögerte Schockreaktion.« Maude war nachsichtig.
»Ach wirklich? Das wusste ich nicht. Du liebes bisschen, es tut mir so Leid, dass ich so… so undankbar bin, nach allem, was Sie für mich getan haben. Was werden Sie nur denken…«
»Wir werden uns etwas anderes einfallen lassen«, sagte Maude beschwichtigend.
Sechzehntes Kapitel
G eorge Crossfield blieb einen Moment zögernd stehen, als er eine Frau in einer Tür verschwinden sah. Dann nickte er entschlossen und folgte ihr.
Bei der fraglichen Tür handelte es sich um den Eingang zu einem Geschäft mit Schaufenstern rechts und links – eines Geschäfts, das Bankrott gemacht hatte. Hinter den Schaufenstern herrschte gähnende Leere. Da die Tür geschlossen war, klopfte George an, und sofort wurde ihm von einem jungen Mann mit Brille und farblosem Gesicht geöffnet. Er starrte George an.
»Verzeihung«, sagte George. »Ich glaube, meine Cousine ist gerade hier.«
Der junge Mann machte einen Schritt zurück und George trat in den Laden.
»Hallo, Susan«, sagte er.
Susan stand mit einem Maßband in der Hand auf einem Umzugskarton und drehte überrascht den Kopf.
»Hallo, George. Woher bist du denn so urplötzlich aufgetaucht?«
»Ich habe deinen Rücken gesehen. Ich war sicher, dass es deiner war.«
»Wie schlau von dir. Ein Rücken ist unverkennbar.«
»Viel mehr als ein Gesicht. Mit einem Bart und ausgestopften Wangen und wenn man ein bisschen was mit den Haaren macht, erkennt einen niemand mehr, auch nicht aus nächster Nähe – gefährlich ist der Augenblick, wenn man jemandem den Rücken zukehrt.«
»Das werde ich mir merken. Kannst du 2,22 Meter behalten, bis ich es aufgeschrieben habe?«
»Klar. Worum geht’s denn – Bücherregale?«
»Nein, Platz für Kabinen. 2,62 Meter – und 1,07…«
Der bebrillte junge Mann trat schon die ganze Zeit von einem Fuß auf den anderen; jetzt räusperte er sich höflich.
»Verzeihung, Mrs Banks, aber wenn Sie noch eine Weile hier bleiben möchten…«
»Das möchte ich in der Tat«, antwortete Susan. »Wenn Sie mir die Schlüssel dalassen, schließe ich die Tür ab
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